Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
arbeitete noch immer an der Foley/Noble-Suche, wühlte sich durch Tausende von Adress- und Autoanmeldungen und Versicherungsnummern und nahm die noch immer eingehenden Informationen zum Southern-Mord auf, die ebenfalls geordnet und abgelegt werden mussten.
Thorne sah zu ihr hinüber. Er spielte mit dem Gedanken, einen Papierball zu werfen, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ließ den Blick über die Stapel auf seinem Schreibtisch wandern, ob hier irgendetwas dabei war, das er zerknüllen konnte, bevor er sich eines Besseren besann …
»Abgesehen von allem anderen«, sagte Thorne, »sind Morde auch nicht gut für die Regenwälder.«
Kitson blickte auf und sah zu ihm hinüber. »Wie bitte?«
Er griff nach einem Stapel Autopsieberichte und schwenkte ihn. Sie nickte – sie hatte verstanden.
»Wie läuft’s so, Yvonne?«
»Wir werden ihn genauso wenig als Noble finden wie als Foley. Mark Noble war er ohnehin nicht länger als fünf Minuten …«
»Die er gehasst haben wird. Den Namen dieses Mannes …«
»Allerdings. Wäre ich er gewesen, hätte ich meinen Namen geändert oder ihn zumindest nicht mehr benutzt, sobald ich da weg gewesen wäre.«
Thorne konnte Kitson nur Recht geben. Er wäre umgehend bei Brigstocke vorstellig geworden, um vorzuschlagen, sich bei ihrer Ermittlung auf etwas anderes zu konzentrieren, wenn er nur gewusst hätte, auf was. Er hatte keinen blassen Schimmer …
»Ackern wir uns einfach durch«, sagte er.
Diese ganze Adoptions-/Missbrauchs-/Ausreißerspur entwickelte sich zu einer weiteren dieser Spuren, die im Sand zu verlaufen schienen. Es war schwierig genug, Leute aufzuspüren, die vor sechs Monaten weggelaufen waren. Herauszufinden, wo sich zwei Teenager aufgehalten haben könnten, die vor beinahe zwanzig Jahren aus einem Haus in Romford verschwanden, war praktisch unmöglich.
Ihnen blieb nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Und während Holland, Stone und das übrige Team taten, was sie konnten, ging Thorne alle Informationen durch, die ihnen bislang vorlagen. In der Gewissheit, dass sie bereits genug hatten.
Bis zum Mittagessen war er noch auf nichts gestoßen, und dabei hatte er bereits das Gefühl, sich durch jeden Mordfall gelesen zu haben, den es gegeben hatte. Er hatte die Hände des Pathologen sich durch jeden Brustraum wühlen sehen und hinunter in die kalten Tiefen der Eingeweide. Er hatte den mehr als hilflosen Worten jedes Einzelnen gelauscht, der auch nur ein paar Minuten mit einem der Mordopfer an einer Bushaltestelle verbracht hatte.
Es stand ihm bis oben …
»Was gibt’s denn heute auf den Brötchen?«
Kitson schüttelte den Kopf, ohne von ihrem Computerbildschirm aufzublicken. »Kam heute nicht dazu. Die Kinder spielten verrückt, und alles wurde ein bisschen zu …« Der Rest des Satzes hing in der Luft, bis Thorne das Wort ergriff.
»Man kann nicht ständig alle Bälle in der Luft halten, Yvonne. Ab und zu darf man auch einen fallen lassen, wissen Sie.« Kitson blickte auf und verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. »Ist alles in Ordnung, Yvonne?«
»Hat jemand was gesagt?« Es kam eine Spur zu schnell.
»Nein. Sie schienen nur etwas … daneben.«
Kitsons Lächeln wurde breiter, bis sie, wie Thorne fand, eher wie ihr altes Selbst aussah. Wie der Typ, auf den man problemlos mit einem Papierball werfen konnte. »Ich bin nur müde«, sagte sie.
Der nächste Mord musste der letzte sein, zumindest für eine Weile. Es gab ein hübsches Bild ab und war außerdem absolut vernünftig. Danach würde die Ermittlung hochgefahren werden, und das Risiko, der Polizei ins Netz zu gehen, würde sich, zumindest statistisch, erhöhen.
Falls er der Polizei ins Netz ging und für seine Verbrechen angeklagt würde, wäre der nächste Mord dafür der denkbar ungeeignetste. Für diesen würde man ihn zweifellos ohne langwierige Debatten ans Kreuz nageln. Doch jetzt, mit den bisherigen Morden auf dem Buckel, wäre das etwas anderes. Bei einer Anklage wegen der Morde an Remfry, Welch und Southern rechnete er sich gute Chancen aus …
Wenn die Zeitungen sich schon bei der Jagd auf ihn nicht mehr einkriegten, würden sie sich bei der Verhandlung einnässen. Die Boulevardpresse würde hinter ihm stehen, daran hegte er keinen Zweifel. Wahrscheinlich ließen sich sogar ein paar Revolverblätter dazu überreden, für seine Verteidigung zu blechen und einen Rechtsanwalt zu bezahlen. Er hatte beschlossen, falls es je dazu kommen sollte, sich selbst zu
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