Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
wollte Holland wissen.
Der Hüne verlangsamte seine Schritte, bis Stone und Holland ihn eingeholt hatten. »Laufen draußen herum. Betteln. Versuchen, eine Unterkunft zu finden.« Er lächelte, als Holland ihn verwirrt ansah. »Hier ist es warm, und sie bekommen etwas zu essen, aber mit Schlafen läuft hier wenig. Die meisten haben Angst, dass ihnen was geklaut wird. Selbst wenn sie schlafen wollen, ist es nicht einfach. Hundert Typen, die ständig husten und sich auf knarrenden Matratzenfedern herumwälzen, machen mehr Lärm als ein Nachbar mit einem Schlagzeug …«
»Meine Exfreundin ließ mich die halbe Nacht nicht schlafen«, sagte Stone. »Redete im Schlaf, knirschte mit den Zähnen
Brian lächelte. »Jetzt ist es ruhig hier, aber wenn Essen ausgeteilt wird, verstehen Sie Ihr eigenes Wort nicht. Sie trudeln ein, sobald es dunkel wird. Um neun Uhr ist es hier gerammelt voll.«
Hollands Blick schweifte über die Betten, drei, vier Reihen hintereinander. Er konnte es sich lebhaft vorstellen.
Hier war sich jeder selbst der Nächste.
Der Heimleiter blieb stehen. Er klopfte gegen eine offene Spindtür und machte kehrt. »Der hier gehörte Mr. Welch. Ich bin vorne im Büro, wenn Sie etwas brauchen …«
Beide streiften sich Handschuhe über. Während Stone den Spind durchsuchte, kniete sich Holland auf den Boden und wühlte zum zweiten Mal in knapp zwei Wochen unter dem Bett eines soeben ermordeten Vergewaltigers herum.
Es dauerte keine zwei Minuten, um Welchs Habseligkeiten zusammenzusuchen: eine alte Reisetasche voller Klamotten, die nach Kleidersammlung rochen; eine Plastiktüte mit schmutziger Unterwäsche und Socken; ein mit weißen Farbspritzern übersätes Radio; ein Elektrorasierer; ein paar verknitterte Taschenbücher …
Hinten im Spind, in einem der Bücher, die Fotos von Jane Foley.
»Da ist sie«, sagte Stone und nahm ein Foto in die Hand. »Hübscher denn je.«
Holland stand auf und trat zu ihm, um einen Blick auf das Foto zu werfen. »Wie viele?«
»Eine halbes Dutzend. Briefe kann ich nirgends entdecken. Muss sie weggeworfen haben …«
Stone tütete die Fotos ein und steckte sie in seine Jackentasche. Den Rest packte Holland in einen schwarzen Müllsack. Als er fertig war, hob er den Sack auf. Er war nicht schwer.
»Nicht viel, hm?«, sagte er.
Stone warf die Spindtür zu und zuckte mit den Schultern. »Mehr wird’s nicht.«
Es war fast Mittag und bereits ziemlich heiß. Holland wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Er überlegte, was wohl Stone durch den Kopf ging. »Ist dir das scheißegal, weil Welch im Gefängnis saß?«, fragte er. »Oder weil er wegen Vergewaltigung im Gefängnis saß? Ehrlich, das interessiert mich …«
Stone dachte darüber nach. »Wahrscheinlich wäre es mir nicht ganz so scheißegal, wenn er ein Fälscher gewesen wäre«, sagte er schließlich. »Und noch ein Stück mehr scheißegal, wenn er ein Dutzend Schulmädchen abgemurkst hätte …«
Holland sah den Ausdruck auf Stones Gesicht und prustete los, als sie zum Eingang kamen. »Ich fass es nicht. Du hast tatsächlich eine Skala …«
Sie liefen die Parkway hinauf zu der Parkbucht, in der Stone den Cougar abgestellt hatte. In regelmäßigen Abständen säumten Müllsäcke, wie Holland einen trug, den Bürgersteig. Der Camden’s Sunday Market war nach Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett die zweitgrößte Touristenattraktion der Stadt geworden, und die Aufräumaktion am Tag danach wurde allmählich eine ähnlich unlösbare Aufgabe wie die Malerarbeiten an der Forth Bridge.
»Wie lange dauert es eigentlich noch, bis das Baby kommt? Ein paar Monate?«, fragte Stone.
Holland warf den Müllsack von einer Hand in die andere. »Zehn Wochen.«
»Sophie muss ja schon ziemlich dick sein …«
Holland schmunzelte und sah in das Schaufenster eines japanischen Restaurants. Betrachtete die Teller mit Plastiksushi. Rot, gelb und pink. Er schwor sich, in nächster Zeit mal so etwas zu probieren.
Sie gingen nach links, und Stone sperrte mit einem Knopfdruck das Auto auf. »Und? Aufgeregt?«
»Ja, sie ist sehr aufgeregt.«
Stone öffnete die Autotür und blickte dabei über das Dach zu Holland. »Ich meinte dich … «
»Heb deinen Hintern. Hoch in die Luft, genau. Und jetzt lass deine Finger wandern …«
Charlie Dodd machte sich nützlich. Das Studio war für eine Web-Cam-Session gemietet worden, und er hatte seine Dienste angeboten. Gratis. Munter gab er dem gelangweilt wirkenden Mädchen auf
Weitere Kostenlose Bücher