Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
mehr als einer Kebabbude vorbei. Sein Magen knurrte, und er wollte sich schon etwas kaufen, änderte jedoch seine Meinung, als er Eve von dem Einbruch erzählte und dem kleinen Geschenk, das man ihm hinterlassen hatte.
»Zumindest ein originelles Geschenk«, hatte Eve gesagt.
Thorne lachte. »Stimmt, und etwas Selbstgemachtes ist ja auch viel netter, oder?«
Thorne ließ sich Zeit. Er war ins Gespräch vertieft, achtete aber dennoch wie immer auf sein Umfeld. Keine Bewegung auf der anderen Straßenseite, an der nächsten Straßenecke oder hinter den geparkten Autos entging ihm. Das hier war zwar nicht Tottenham oder Hackney, aber es war nichtsdestotrotz daneben, sich wie ein Idiot zu verhalten, wenn Leute für ein Handy im Wert von 9 Pfund 99 niedergeschossen wurden …
»Und … wann wirst du dir ein neues Bett kaufen?«, fragte Eve.
»Ach, irgendwann schaff ich das schon …«
»Das hoffe ich aufrichtig.«
Sie alberten herum, aber plötzlich spürte Thorne einen ernsten Unterton. Ein Anzeichen von Ungeduld.
»Wir können uns ja immer noch bei dir treffen, oder?«, sagte er.
Eine kurze Pause entstand. Dann: »Das könnte Probleme geben. Denise ist da manchmal komisch …«
»Wenn du Herrenbesuch hast?«
»Wenn die Herren bleiben … »
Thorne hörte ein Seufzen, als hätte Eve dieses Gespräch schon öfters geführt. Wahrscheinlich mit Denise. »Moment mal, Ben bleibt doch auch?«
»Ich weiß, es ist verrückt. Aber glaub mir, es ist chancenlos …«
Dann war Thorne an der U-Bahn-Station angekommen, und sie beließen es dabei. Während er die Münzen in den Fahrkartenautomaten steckte, verabredeten sie sich noch schnell für nächste Woche. Sie verabschiedete sich von ihm, als er mit der Rolltreppe nach unten fuhr, und bevor er etwas darauf erwidern konnte, war das Signal weg.
Die U-Bahn war so gut wie leer. Ein Teenagerpärchen saß am anderen Ende des Wagens, das Mädchen hatte den Kopf auf die Schulter ihres Freundes gelegt. Er streichelte ihr über die Haare und murmelte ihr Dinge ins Ohr, die ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberten.
Thorne holte tief Luft. Es kam ihm vor, als sei sein Kopf in Watte gepackt. Er hatte nur zwei Pints getrunken, aber sein Kopf wurde mit jedem Ruckeln und Schwanken des Zuges schwerer. Er musste wach bleiben. So groß die Versuchung war, die Augen zu schließen, den Kopf nach hinten zu legen, er durfte keinesfalls einnicken, um dann an der Endhaltestelle aufzuwachen.
Das Gespräch mit Eve ging ihm nicht aus dem Kopf. Als sie sich verabredeten, warum hatte er da nicht darauf gedrängt, sich früher zu treffen? War das Panik gewesen, was er fühlte, als sie über das Bett redete? Vielleicht hatte er einfach nur zu viel um die Ohren, mit dem Fall und seinem alten Herrn und nun auch noch mit dem Einbruch. Vielleicht setzte er unbewusst Prioritäten. Auf alle Fälle war er zu kaputt, um auch nur einen klaren Gedanken zu verfolgen …
In Hampstead stieg ein Mann ein, der, obwohl genug Plätze frei waren, lieber am Wagenende stehen blieb und sich an der Stange über seinem Kopf festhielt. Thorne betrachtete den Mann. Er war sehr groß und dünn und hatte ein kantiges Gesicht, dazu einen wilden Schopf fast grauer Haare und ein ganzes Arsenal an bizarren Tics, von denen Thorne den Blick nicht losreißen konnte …
Schnell wurde ihm klar, dass der Tic, der Thornes Vermutung nach auf das Tourette-Syndrom zurückzuführen war, aus drei Teilen bestand. Zuerst zog der Mann die Augenbrauen theatralisch in die Höhe und zuckte mit dem Kinn. Eine Sekunde später drehte er den Kopf zur Seite, um zum Schluss die Kiefer aufeinander zu knallen, so dass die Zähne wie Kastagnetten klapperten. Fasziniert und schuldbewusst zugleich beobachtete Thorne, wie sich dieser aus drei Teilen bestehende Ablauf ständig wiederholte. Er fing an, jeder Zuckung einen Titel und einen Soundeffekt zuzuweisen. Die Augenbrauen, die Kopfdrehung, das Kieferklacken. Drei Bewegungen, die in ihrer schnellen Abfolge Überraschung, Interesse und letztlich eine bittere Enttäuschung auszudrücken schienen. Bewegungen, die sich für Thorne anhörten wie: »Ooh! Aber hallo! Ach!«
Nein wirklich! Klingt interessant! Ach, scheiß drauf …
Nach ein, zwei Minuten schien der Mann seinen Anfall unter Kontrolle zu bekommen, und Thorne wandte sich ab. Das junge Pärchen links hinten war ausgestiegen und von einem Pärchen ersetzt worden, das ein gutes Stück älter und weniger körperkontaktversessen war. Die Frau fing
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