Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
ignorieren die pure Dummheit wäre. Und wieder war über dieses Thema gesprochen worden, ohne dass der Name des Jungen fiel.
Die Einsatzzentrale wirkte nur eine Spur hektischer als am Tag zuvor. In den Gesprächen kamen sie schneller auf den Punkt. Sie liefen schneller von Schreibtisch zu Schreibtisch, vom Telefon zum Fax. Seit dem Auffinden von Kathleen Bristows Leiche waren noch keine zwölf Stunden verstrichen, aber Thorne war klar, dass Mordfälle noch viel schneller erkalteten, wenn die Ermittler nicht schnell genug waren. Er wechselte rasch ein paar Worte mit Andy Stone und den Leuten von der Kidnap Unit, bevor er widerwillig ein paar Minuten mit DS Samir Karim, der auch Büromanager war, über Organisatorisches redete. Thorne mochte Karim, einen übergewichtigen, geselligen Pakistani mit dichtem, vorzeitig ergrautem Haar und einem breiten Londoner Akzent. Nur sein Lächeln, Karims Markenzeichen, war heute kaum zu sehen.
»Alles Scheiße«, meinte er.
Thorne nickte, ohne wirklich wissen zu müssen, wovon genau Karim sprach.
Dave Holland schien so konzentriert wie alle im Raum, erst aus der Nähe verrieten ihn seine Augen als einen Mann, der die Nacht zuvor keinen Schlaf bekommen hatte.
»Pisslöcher im Schnee«, sagte er. »Ich weiß, aber sie sind einen Tick größer als Ihre.«
Thorne warf einen Blick auf Hollands Computerbildschirm. Er befand sich auf einer Seite des Borough of Bromley, die verschiedene Kontakttelefonnummern und E-Mail-Adressen enthielt.
»Es gibt eine Notrufnummer für Anrufe außerhalb der Geschäftszeiten«, sagte Holland. »Die ist sicher prima, wenn eine Wasserleitung platzt oder man jemand dabei erwischt, wie er seinen Müll anderen Leuten vor die Haustür kippt. Aber sonst ist sie zu nicht viel mehr nütze. Ich hab ein paar Leute zu Hause angerufen, aber ich komm nicht weiter. Welche Akten Kathleen Bristow gehabt hat oder gehabt haben könnte, werden wir wohl erst morgen früh erfahren, wenn wir jemanden vom Sozialamt erwischen, der Zugriff auf diese Unterlagen hat. Und auch dann, fürchte ich, ist das nicht in fünf Minuten erledigt.«
»Setzen Sie sich mit den anderen in Verbindung, die mit ihr zusammen in diesem Ausschuss saßen«, sagte Thorne. »Roper und die anderen …«
Holland verließ die Website und rief das Crime Reporting Information System auf. CRIS wurde ständig aktualisiert, so dass jedes Teammitglied stets Zugriff auf jedes Detail eines Falls hatte. Er gab die Fallnummer ein, suchte in den Dateien und rief die Namen und Kontaktangaben der Mitglieder von Grant Freestones MAPPA-Ausschuss auf:
Roper, Warren, Lardner, Stringer, Bristow.
Holland tippte mit dem Finger gegen den Bildschirm. »Beim ersten Mal hab ich es nicht geschafft, die Stringer zu finden.«
»Schauen wir mal, ob Sie’s jetzt schaffen.«
»Okay. Es wird sicher spannend sein zu sehen, wie sie auf die Nachricht über Kathleen Bristow reagieren. Vielleicht kann einer von ihnen uns bestätigen, dass sie die Unterlagen hatte.«
»Roper hat gesagt, dass sie sie wahrscheinlich hat«, warf Thorne ein. »Aber das war nicht der Grund, warum ich das vorgeschlagen habe.« Er sah auf die Liste auf Hollands Monitor, auf den Cursor, der unter dem letzten Namen blinkte. »Solange wir nicht genau wissen, warum Kathleen Bristow umgebracht wurde, kann es nicht schaden, wenn wir uns davon überzeugen, dass die anderen aus dem Ausschuss noch gesund und munter sind.«
Thorne hielt sich im Hof auf, als der Gefangene herausgebracht wurde. Er lehnte an dem Polizeiwagen, der darauf wartete, Freestone nach Süden zu fahren, und unterhielt sich mit einem der Polizisten, die Freestone begleiten sollten, über ein Spiel der Spurs gegen Crystal Palace.
Hoolihan war wortlos an Thorne vorbeigegangen und in einen zivilen BMW gestiegen, um dem Polizeiwagen nach Lewisham zu folgen.
Freestone selbst war wesentlich interessierter an einem Gespräch.
»Was soll denn die Scheiße?«
»Es ist Zeit, sich für die Sache mit Sarah Hanley zu verantworten, Grant.«
»Ich hab sie nicht umgebracht.«
»Können Sie denen erzählen«, sagte Thorne.
»Sie beschissener Schlaumeier …«
Freestone trug Handschellen, als er von zwei Polizeibeamten zu den offenen Türen des Polizeiwagens geführt wurde.
Thorne schlenderte hinter ihnen her. »Ich bestell Tony Mullen Grüße von Ihnen.«
»Bringen Sie ihn lieber hier runter«, sagte Freestone.
»Warum sollte ich?«, erwiderte Thorne. »Er hat mit dem Hanley-Fall nichts zu
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