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Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders

Titel: Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Händen hatte und dieses Geräusch im Keller war. Und dass es zu Ende gehen würde, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie.
    Jenseits des Feldes läuteten Glocken.
    Er saß da und suchte nach einer Lösung. Wenn er nur die Tür öffnete und zurücktrat, käme schnell alles von selbst ins Lot. Der Junge würde dem Klang der Glocken entgegenlaufen, zu einem Ort, an dem es ein Telefon gab, und alles wäre vorbei.
    Aber das war hypothetischer Schwachsinn, weil inzwischen zu viel passiert war, als dass alles so einfach enden könnte. Die Uhr ließ sich nicht mehr zurückdrehen. Andererseits war es ein gutes Gefühl zu wissen, dass er nicht der Einzige war, der dafür zahlen würde.
    Als die Glocken schließlich verstummten, hörte er das Schluchzen wieder. Durch den Boden herauf, ein verzweifeltes Ringen nach Luft, alle paar Atemzüge unterbrochen von einem entsetzlichen Heulen.
    Er schloss die Augen, versuchte zu vergessen, wie dumm er gewesen war. Bis er beinahe glaubte, was er für Weinen gehalten hatte, sei nur das Geräusch der alten verrosteten Rohre, die sich ausdehnten.

Luke
    Der religiöse Kram gehörte in Butler’s Hall dazu. Es war keine kirchliche Schule, aber es wurden jeden Tag Kirchenlieder in der Aula gesungen. Und im Religionsunterricht ging man davon aus, dass jeder der Church of England angehörte, falls die Eltern nichts anderes angegeben hatten.
    Der Kaplan hatte sicher gepredigt. Höchstwahrscheinlich was über verlorene Schafe. Und die Lehrer stellten sich bestimmt jeden Morgen gesenkten Hauptes vorn auf der Bühne auf, während man für ihn betete.
    Jetzt hatte er selbst angefangen zu beten.
    Er hatte die ganze Zeit seinen Kopf mit allem möglichen Unsinn gefüllt, um diese unerträglichen Gedanken zu verdrängen. Er hatte versucht, sich abzulenken, wenn der Mann auf ihn einredete und danach, wenn es vorbei und er wieder allein war. Abfolgen von Straßen und U-Bahn-Stationen; die Regeln von Spielen, die er mit Juliet gespielt hatte, als sie beide noch kleiner waren; die Namen seiner Kuscheltiere – alles Mögliche.
    Jetzt hatte sich auch Gott in seine Gedanken gedrängt.
    Weder seine Mum noch sein Dad waren große Kirchgänger, höchstens Weihnachten zum Krippenspiel, und Juliet schien, was Religion betraf, noch am meisten vom Satanismus angezogen. Aber er hatte die zugrunde liegende Idee immer gemocht. Gegen Liebe und Mitgefühl ließ sich schlecht was einwenden. Und vieles in der Bibel war echt okay, solange man nicht mehr darin sah als eine Spitzenstory.
    Er hatte im Fernsehen mal eine Sendung gesehen. Warum guten Menschen Schlechtes widerfuhr. Über einen Typen, der sich für Wohlfahrtsorganisationen krumm gemacht hatte und dann eine scheußliche Krankheit kriegte. Und ein Ehepaar, das alle fünf Minuten in die Kirche rannte und dessen Tochter verschwand. Sie hatten alle gesagt, dass Leiden zum Christsein dazugehört und dass alles, was sie durchmachen, eine Prüfung ihres Glaubens ist. Er hatte sich die Sendung angesehen und dabei gedacht, dass sie das wahrscheinlich sagen mussten. Wenn er an Gott glauben und ihm eine solche Prüfung auferlegt würde, er würde erbärmlich versagen.
    Aber er glaubte nicht, nicht wirklich. Und außerdem war ihm klar, dass an dem, was er durchmachte, niemand anders Schuld hatte als der Mann auf der anderen Seite der Kellertür. Aber ein Gebet konnte nicht schaden, oder?
    Der Schulkaplan hätte wohl ein Wörtchen dazu zu sagen, gleichzeitig zu beten und so finstere Pläne zu schmieden, während man das sorgfältig bearbeitete Werkzeug zur Umsetzung dieser Pläne in Händen hielt. Andererseits erinnerte er sich an ein paar Geschichten aus dem Alten Testament, neben denen Grand Theft Auto harmlos wirkte. Gott hatte kein Problem mit Blutvergießen und Blitzschlägen und dem Niederstrecken derer, die es verdient hatten.
    So betrachtet war es vielleicht am angemessensten, Gott um eine Gelegenheit zu bitten.
    Also betete er eine Weile, wie man es eben machte, wenn man keinen anderen Ausweg sah. Anschließend wischte er sich die Tränen und den Rotz weg und kehrte dazu zurück, sich mit Erinnerungen und mentaler Gymnastik abzulenken.
    Die Namen seiner Mitschüler, in alphabetischer Ordnung, vorwärts und rückwärts. Die Planeten und ihre Monde. Die Sterne und Satelliten. Sein Spielzeug.
    Ein Dinosaurier. Ein Bugs Bunny. Ein Teddy namens Grizzle …

Zwanzigstes Kapitel
    Sie hatte es sich zur Regel gemacht, ihnen nie ins Gesicht zu sehen.
    Nicht weil sie den Schmerz

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