Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
abzustellen.«
Thorne hielt sich die Ohren zu. Er hörte sich selbst nicht, als er seinen Vater anbrüllte, den Mund zu halten und abzuhauen, oder Victor anflehte, etwas zu tun.
»Scheiß Eiscremewagenlärm«, sagte Jim Thorne.
»Das ist der Feueralarm, du dummer alter Sack.«
»Zieh bloß keine voreiligen Schlüsse.«
»Wir müssen verschwinden. Das ist ein Feueralarm.«
Das Lächeln seines Vaters blitzte zwischen den hochschlagenden Flammen immer wieder auf. Der Schalk in seiner Stimme war deutlich zu hören trotz des Geprassels und des Knisterns der brennenden Haare.
»Tatsächlich, Tom? Bist du dir sicher?«
Thorne hob den Kopf und griff nach dem Telefon, wischte den Spuckefaden zwischen seiner Wange und dem Schreibtisch weg.
»Hast du geschlafen?«
»Nein …«
»Du bist ein beschissener Lügner«, sagte Hendricks. Es musste an Thornes Ton liegen oder an der anschließenden Pause, denn er fragte: »Derselbe Traum?«
Thorne setzte sich aufrecht hin und stand dann langsam auf. »Mehr oder weniger«, sagte er. Stöhnend ließ er den Kopf kreisen. Sein Rücken tat ihm weh, und er fühlte sich, als sei jemand auf seinem Nacken herumgehüpft.
»Ich hätte auch gern Zeit für ein Nickerchen«, meinte Hendricks.
»Das war ein wahnsinnig langer Tag.«
»Nicht nur für dich, Kumpel.«
»Okay, tut mir leid. Ich hab schon wieder vergessen, dass du heut Morgen auch dort warst.«
»Glaub mir, ich wär lieber nicht dort gewesen. Es gibt Tage, da wünsche ich mir, ich hätte nie Medizin studiert. Da denke ich, ich hätte auf meine Eltern hören und hart arbeiten sollen, um eine Ballerina zu werden.«
In Hendricks’ breitem Manchesterakzent vorgetragen, verfehlten diese trockenen Bemerkungen so gut wie nie ihren Zweck, Thorne aufzuheitern. Der Traum verblasste bereits, obwohl der Geruch noch immer beißend war …
»Keine Überraschungen bei der Autopsie?«
»Was die Todesursache angeht, nein. Allerdings hab ich in Kathleen Bristows Magen einen großen Tumor gefunden. Keine Ahnung, ob sie davon wusste.«
Die Frau war tot, Thorne hatte daher keinen Grund, so deprimiert zu sein, wie er war.
»Wann, glaubst du, kannst du weg?«, fragte Hendricks.
Thorne sah auf seine Uhr. Es war beinahe halb acht. Er hatte etwa eine halbe Stunde geschlafen, aber als er die Augen schloss, war es noch hell gewesen, und jetzt wurde es bereits dunkel. Er wollte Brigstocke fragen. Aber da er zwei Achtzehn-Stunden-Schichten hintereinander hinter sich hatte, rechnete er mit keinem Einwand, wenn er sich jetzt verabschiedete. »Ich muss noch rauf nach Arkley, aber das sollte nicht so lange dauern. Dann müsste ich so um halb zehn, zehn daheim sein.«
»Hast du noch Lust auf ein spätes Bier im Prince? Und eine Runde Pool?«
Thorne wusste immer noch nicht, ob er sich später noch mit Porter treffen würde, aber Hendricks nähme es ihm sicher nicht übel, falls er ihn deshalb versetzte. »Klar, warum nicht? Ich werde wahrscheinlich eh nicht schlafen …«
»Solange du deinen Rücken nicht als billige Ausrede benutzt, wenn ich dich abziehe. Fünf Pfund die Runde?«
Die Tür ging auf, und Yvonne Kitson marschierte zu ihrem Schreibtisch. Nach ihrer Miene zu urteilen stand sie kurz davor, alles hinzuschmeißen. Sie stellte ihre Tasche ab, schaltete das Licht ein, ging zu ihm und lehnte sich an die Wand. Sie sah ganz so aus, als wolle sie reden. Als wolle sie, dass Thorne es erfährt.
»Ich geh jetzt besser, Phil. Ich ruf dich an, kurz bevor ich heimkomme.«
»Okay. Bis später.«
»Alles in Ordnung?«
»Ja, mir geht’s wunderbar«, sagte Hendricks.
Er log nicht viel besser als Thorne.
»Sie nehmen sich diesen Fall viel zu sehr zu Herzen, weil Sie glauben, Sie hätten ihn anfangs verbockt«, sagte Thorne, als er den Hörer auflegte.
»Falsch«, sagte Kitson.
»Was genau ist falsch?«
»Ich weiß, dass ich es anfangs verbockt habe.«
Kitson stand unter Strom, sie lief in dem kleinen Büro auf und ab, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie sich lieber an einer Schulter ausweinen oder jemandem die Nase einschlagen würde.
»Sie bekommen die anderen zwei«, sagte Thorne. »Ganz sicher. Wenn Farrell die Namen nicht ausspuckt, müssen sie zu härteren Mitteln greifen, das ist alles.«
Sie blieb stehen und sah ihn an, als habe er kein Wort von dem verstanden, was sie sagte. »Ich will die beiden unbedingt, Tom. Ich weiß, Farrell hat ihn umgebracht, aber die anderen standen nur da und sahen zu. Vom DPS weiß ich, dass wir
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