Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Luke Mullen, wo immer er sich befinden mochte, nur eine Spur im Sand hinterließ.
Sie warteten noch immer auf Porter.
Das Kind, das geweint hatte – Thorne wusste nicht, ob es sich dabei um Billy handelte oder ob Billy der Ältere war –, lag nun ruhig in dem Sessel, den Kopf auf der Brust seiner Mutter. Das Gesicht des Jungen war ebenso ausdruckslos wie friedlich, aber er fixierte mit weit aufgerissenen Augen den Mann am Fenster. Ließe Thorne seiner Fantasie freien Lauf, läge vielleicht der Schluss nahe, dass man dem Kind schon früh beigebracht hatte, vor Polizisten auf der Hut zu sein. Oder vor Männern …
Freestone streichelte ihrem Jungen über den Kopf. »Mir passt das gar nicht, dass Sie einfach so hier hereinplatzen, als wär meine Wohnung ein öffentliches Klo.«
Thorne sah zur Tür. »Ich bin sicher, sie kommt jede Minute.«
»Aber irgendwie ist es mit euch immer dasselbe. Ihr schert euch einen Dreck. Vielleicht wischt sie sich ihren dürren Arsch gerade mit den Vorhängen ab. Oder den Klamotten meiner Kinder.«
»Jetzt werden Sie aber albern«, sagte Thorne.
»Das hat was mit Respekt zu tun.«
Am anderen Ende des Ganges war die Spülung zu hören.
»Das hat was damit zu tun, dass Sie uns für dumm verkauft haben: uns irgendwelchen Mist erzählt und uns angelogen haben, um ihren Bruder zu retten.«
»Ich hab nicht gelogen.«
»Wer hat sich denn Ihrer Meinung nach diese Kinder geschnappt? Haben die sich vielleicht gegenseitig gefesselt?«
»Ich hab nicht über die Sache mit Sarah Hanley gelogen. Wir waren zusammen im Park.« Sie setzte sich anders hin, legte den Kopf ihres Sohns auf die andere Seite. »Das war das letzte Mal, dass er meine Jungen gesehen hat.«
Als Porter ins Zimmer marschierte, wurde Thorne nicht schlau aus ihrem Blick. Irgendetwas war los. Sie sprach zu Freestone, die ihr den Hinterkopf zuwandte. »Wir gehen jetzt besser und stören Sie nicht länger.«
»Hat niemand was dagegen.«
»Entschuldigen Sie, dass wir Sie am Samstag gestört haben.«
»Ich weiß noch immer nicht, was Sie eigentlich hier wollten.«
Thorne sah zu Porter, versuchte herauszufinden, was los war. Ihre Blicke trafen sich kurz, aber er war deshalb nicht klüger.
»Schauen Sie, ich will ehrlich zu Ihnen sein«, sagte Porter. »Wahrscheinlich wollten Sie diesen Besuch genauso wenig wie wir, aber wir hatten den Auftrag. Also sind wir hier. Weil wir tun, was man uns sagt. So ein Blödmann von DCI mit einem kleinen Schwanz und einem noch kleineren Hirn hielt das für eine gute Idee. Hat sich, wenn Sie mich fragen, die Sache aus den Fingern gesogen.«
»Wär nicht das erste Mal«, sagte Freestone. »Hat was mit Kindern zu tun, stimmt’s?«
»Hat mit überhaupt nichts zu tun, wenn Sie mich fragen«, sagte Porter. »Nur mit Bullen, die bei ihren Entscheidungen danach gehen, was auf irgend so einem Computerschirm auftaucht. Und wir können dann die Scheiße ausbaden. Schlicht und einfach nur Zeitverschwendung.«
»Wenn das eine Entschuldigung sein soll, freut mich. Aber die können Sie sich trotzdem in den Arsch schieben.«
»Geb ich an unseren DCI weiter.« Porter sah zu Thorne, der das tat, was sie seiner Meinung nach von ihm wollte, und verschwörerisch grinste. »Hören Sie, tun Sie einfach so, als ob das der Routinebesuch wär, zu dem Hoolihans Leute nie die Zeit gefunden haben, okay?«
»Macht keinen Unterschied.«
»Also, um die Sache abzuhaken, Miss Freestone, noch eine Frage: Haben Sie Ihren Bruder gesehen, seit Sie das letzte Mal von der Polizei dazu befragt wurden?«
Sie schloss die Augen und rieb ihrem Sohn über den Rücken. »Ich würd mir wünschen, es wär so. Mehr als alles andere. Ich hab keine Ahnung, ob Grant noch am Leben oder tot ist.«
Thorne und Porter fuhren wortlos weg. Am Ende der Straße bog Thorne nach links ab, schnitt einen Motorradfahrer und parkte an einer Bushaltestelle.
Porter sah ihn mit diebischer Freude an.
»Erzählen Sie es mir jetzt?«, fragte Thorne. »Ich hab nicht die geringste Ahnung, bei was ich da drin mitgespielt habe. Worum ging es bei dieser ganzen ›Es tut mir leid, dass wir Ihre Zeit verschwendet haben‹-Scheiße? ›DCIs mit einem kleinen Schwanz‹ …«
»Ich wollte sie in dem Glauben lassen, dass sie sich keine Gedanken zu machen braucht. Dass sie uns los ist. Ich wollte ihr keinen Schreck wegen ihrem Bruder einjagen.«
»Was?«
»Sie lügt wie gedruckt. Und nicht schlecht.«
»Hat das was mit Ihrem Besuch im Bad zu tun?
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