Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
waren die Strecke oft genug gelaufen, um sie blind zurücklegen zu können. Sie überquerten die Aerodrome Road an derselben Stelle wie immer und liefen in ihrem üblichen Tempo, Holland ging wie gewohnt links von Thorne.
Ihr Gespräch, das vor einer halben Stunde wortlos in Brigstockes Büro begonnen hatte, war schnell beendet. Thorne hatte Holland von Hignetts Einwänden berichtet und ihm dafür gedankt, dass er genau zum richtigen Zeitpunkt auf der Bildfläche erschienen war. Holland meinte, er helfe gerne, und das sei wieder ein Erfolg, den sich das Murder Squad Team ans Jackett heften könne. Nicht dass sich jemand groß darum kümmerte.
Über die andere Sache, die mit der leeren Weinflasche, konnten sie nie so leicht reden.
»Gott hat also zu diesem Typen gesagt, er soll mit dem Koksen aufhören?«
»Anscheinend«, sagte Holland. »Statt sich eine Line reinzuziehen, betet er jetzt.«
»Kaputte Knie sind auf alle Fälle besser als eine kaputte Nasenscheidewand.«
Holland wich einem Haufen Hundescheiße aus. »Wenn Warren Tickell tatsächlich gekannt hat, sollten wir ihn dann nicht auch unter die Lupe nehmen?«
»Warum?«, sagte Thorne. »Was hätte er für einen Grund, Luke Mullen zu kidnappen? Außer natürlich, der Auftrag kam von Gott.«
Colindale-Station, deren drei Stockwerke in braune und weiße Flächen unterteilt waren, war zwar schon deutlich zu sehen, aber sie mussten noch die fünfhundert Meter um das brachliegende, von Gestrüpp überwucherte Gelände herumlaufen, das es vom Peel Centre trennte. Die Polizeiwache war in Anlehnung an einen Flughafentower gebaut worden, da es sich auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes von Hendon und neben dem Museum der Royal Air Force befand. Die Schilder wiesen das Gelände als »gefährlich« aus. Thorne vermutete, dass das mit dem baulichen Zustand der nicht mehr benutzten Gebäude zu tun hatte, aber andererseits gefiel ihm auch die Vorstellung, etwas Düstereres könne dahinterstecken. Er malte sich aus, was für eine Wahnsinnsparty die Londoner Unterwelt schmeißen würde, wenn man verlauten ließe, die größte Polizeianlage der Stadt wäre auf einer Giftmülldeponie errichtet …
»Was ist mit diesen beiden Frauen im MAPPA-Ausschuss?«, fragte Holland. »Kathleen Bristow und Margaret Stringer. Sollen wir auch mit denen reden?«
»Nur wenn ihr sonst überhaupt nicht wisst, was ihr tun sollt. Wir haben jetzt Freestone, damit sitzen wir direkt an der Quelle.«
»Okay, aber Porter hat mir erzählt, Sie reden ständig von gründlichem Vorgehen.«
»Hat sie das? Was hat sie noch gesagt?«
»Nichts, irgendwie kamen wir auf das Thema, das ist alles …«
Weiter unten verdeckte ein neu errichteter Bauzaun die Sicht auf die Polizeiwache. Ein Schild am Tor kündigte den Bau von »Luxusstudios und -apartments« an. Solche Projekte schossen in den letzten Jahren in der ganzen Stadt aus dem Boden, weshalb Thorne kein Geld darauf gesetzt hätte, dass sich dadurch der Ausblick aus seinem Büro wesentlich verbessern würde.
An der Verkehrsinsel, auf der Narzissen beherzt Chipstüten und Fastfood-Kartons den Platz streitig machten, bogen sie nach rechts ab. Aus einem unerfindlichen Grund standen zwei junge Frauen am Rand der Verkehrsinsel und sahen den Autos zu, die darum kreisten. Holland meinte, sie könnten Polizeischülerinnen sein, die soeben durch die Verkehrspolizistenprüfung fielen. Thorne meinte, es könne sich dabei auch um irregeleitete Touristinnen handeln, die die Verkehrsinsel für einen kleinen Park hielten.
»Kenny Parsons hat mir ein paar Geschichten über Porter erzählt«, sagte Holland.
»Hat er?«
»Sie scheint ein echtes Original zu sein.«
Thorne schaute wie beiläufig auf die British-Airways-Reklametafel über ihnen und verkniff es sich, Holland gnadenlos auszuquetschen. Niemand sollte den Eindruck haben, dass sie ihm etwas bedeute. »Klatsch interessiert mich nicht«, sagte er. »Ich finde, dafür haben wir bei diesem Job nicht wirklich Zeit.«
Holland sagte nichts darauf und wandte sich zur Straße. Aber Thorne entging nicht das Zucken um Hollands Mundwinkel. Vermutlich hatte er Holland keine Sekunde hinters Licht führen können. Ob man wohl in einem Kurs lernen konnte, nicht ganz so durchschaubar zu sein, wenn es drauf ankam? Er warf einen Blick über die Schulter auf das riesige glitzernde Bild des Flugzeugs über dem Ozean und dachte darüber nach, allein in Urlaub zu fliegen.
»Wahrscheinlich werde ich noch mit Bristow
Weitere Kostenlose Bücher