Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
sagte sie. »Wir denken, der Mord, der Ihrem Mandanten zur Last gelegt wird, könnte mit einem aktuellen Fall in Zusammenhang stehen. Einem höchst sensiblen Fall.«
»Nicht mein Problem.« Donovan schniefte und rieb sich die Nase. Seine Haare schienen eher gelb als grau geworden zu sein. Die Farbe passte gut zu seinem hellbraunen Anzug und seiner leichten Sonnenbräune.
»Es sind nur ein paar Fragen.«
»Ein paar Fragen zuviel. Ich habe mich mit meinem Mandanten über das verständigt, was man mir vorgelegt hat. Und nun hauen Sie uns Zeug um die Ohren, auf das wir nicht im Geringsten vorbereitet sind.«
»Ach kommen Sie, Sie kennen das Spiel doch«, sagte Thorne. »Manchmal ist »unvorbereitet« genau das, was man braucht.«
Die Kumpelnummer konnte auch andersrum laufen.
Oder überhaupt nicht. »Nein, kommt nicht in Frage«, wandte Donovan ein. »Nicht, wenn ich nicht den geringsten Beweis gesehen habe.«
Porter versuchte, widerstrebend zu klingen, als sei es Donovan gelungen, sie zur Preisgabe eines Dienstgeheimnisses zu bewegen. »Hören Sie, wir haben Anlass zur Vermutung, dass Freestone vielleicht eine an der Entführung beteiligte Frau gekannt hat. Sie hatten möglicherweise denselben Drogenberater.«
»Anlass zur Vermutung … hatten möglicherweise.« Donovan sah aus, als wisse er nicht, ob er losbrüllen oder losprusten solle. »Ich sag Ihnen, was Sie haben. Nichts haben Sie. Sie müssen mich für einen kompletten Trottel halten.«
»Wir haben auch einen sechzehnjährigen Jungen«, sagte Thorne. »Besser gesagt, jemand anders hat ihn. Und wir versuchen alles, was in unserer Macht steht, um ihn zurückzubekommen. Wir könnten etwas Hilfe gebrauchen, Danny.«
»Sein Vater war auch bei der Polizei«, sagte Porter. »Er dreht halb durch. Ich brauche Ihnen sicher nicht zu erklären …«
Thorne wusste, dass Donovan zwei Kinder hatte. Er erwog kurz, es darüber zu versuchen, entschloss sich dann aber, nicht zu dick aufzutragen. Eine Sekunde oder zwei sah es so aus, als kämen sie damit durch. Als ziehe ein einfacher, schnörkelloser Appell ans Gefühl. Aber dann entgleiste das, was Thorne als Ausdruck von Mitgefühl – vielleicht sogar Mitleid – gesehen hatte, plötzlich zu etwas ganz anderem: einem gemeinen Grinsen.
»Tut mir echt leid. Aber solange Sie nicht schnellstens mit etwas anderem aufwarten, weiß ich genau, was ich meinem Mandanten zu raten habe.«
»Das würde ich aber gerne hören«, sagte Thorne.
»In seinem eigenen Interesse rate ich ihm, kein einziges Wort zu sagen.« Donovan wandte sich um, ging zurück in den Verhörraum und zog die Tür hinter sich zu.
Thorne sagte nur ein Wort, das aber laut. Ein Wort, das er außerhalb des Fußballplatzes nicht häufig gebrauchte, und er war sich nicht einmal sicher, ob der Mann es hörte, für den es gedacht war. Aber in diesem Moment schien es ihm der einzige passende Ausdruck.
Luke
Es war wie lebendig begraben sein.
Es roch nach Moder und Dreck und den Dielen über ihm.
Es war dunkel, wie immer. Die Luft war schwer, so als wären die Staubteilchen, wenn man sie sehen könnte, groß und schwarz. Aber es war Tag, da war er sich sicher. Wenn er nur genau hinhörte, konnte er den Verkehr in der Ferne hören. Vielleicht eine Autobahn. Und als der Mann zuvor heruntergekommen war, hatte er ihm Frühstück gebracht – Tee und Toast –, und es war viel mehr Licht heruntergefallen, als die Tür oben an der Treppe aufging.
Der Mann hatte sein Versprechen gehalten. Weil Luke nicht geschrien hatte, als er ihm das Klebeband vom Mund entfernte, hatte er ihm die Fessel an den Handgelenken abgenommen. Jetzt hielt ihn nichts mehr davon ab, seine Umgebung richtig zu erforschen.
Er grub seine Finger in jede Ritze und in jedes Loch in den rauen Wänden. Riss sich die Knöchel an Steinen und Nägeln auf, zog sich Splitter ein, als er durch die Spinnweben über die Dielen an der Decke strich. Er tastete die staub- und drecküberzogenen Regale ab und die Säcke, die klebrigen Dosen und Bilderrahmen. Er fügte dem Bild in seinem Kopf ein Detail nach dem anderen hinzu. Er wusste, wo sich was befand, und er konnte schnell von einer Seite zur anderen gehen, ohne dabei die Hände zu Hilfe zu nehmen.
Seiner Meinung nach war es ein gutes Zeichen, dass die Fessel und das Klebeband verschwunden waren. Ein Zeichen dafür, dass der Mann anfing, ihn zu mögen oder so was in der Richtung. Wenn der Mann weiter freundlich zu ihm war und keine verrückten, schrecklichen
Weitere Kostenlose Bücher