Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
wenigstens einmal versuchen?«, fragte Thorne.
»Weil Sie nicht einen einzigen stichhaltigen Grund dafür haben.« Das schien Hignetts letztes Wort zu dem Thema zu sein. Er trat zur Tür, die, nach einem oberflächlichen Klopfen, in dem Augenblick aufsprang, als er zur Klinke greifen wollte.
Holland hatte Thorne bereits vor ein paar Jahren einmal das Leben gerettet, als er nur mit einer leeren Weinflasche bewaffnet in Thornes Schlafzimmer gestürmt kam. Das war die Nacht, aus der die Narbe an Thornes Kinn und noch ein, zwei weniger sichtbare Narben stammten.
Hollands Timing war jetzt fast genauso perfekt wie damals. »Sieht so aus, als hätte ich das Beste versäumt«, sagte er.
»Wenn Sie Freestone meinen«, sagte Hignett, »da gibt’s nichts zu versäumen.«
Holland fing Thornes Blick auf, als er ins Zimmer trat. Eine stumme Versicherung, dass er später alles Nähere erfahren würde.
»Wie ist es mit Warren gelaufen?«, fragte Thorne.
»Seltsamer Typ: Exjunkie, der den Weg zu Gott gefunden hat. Aber ich glaube, wir sind da auf was gestoßen.« Holland hatte die Aufmerksamkeit aller. »Er war besorgt wegen der Schweigepflicht, daher hielt er sich zurück. Doch ich hatte das Gefühl, er kennt Amanda Tickell. Hatte beruflich mit ihr zu tun.«
»Womit wir eine Verbindung zu Grant Freestone hätten«, sagte Porter.
Der Erfolg am Morgen hatte Thorne beflügelt, aber seit er wieder im Becke House war, spürte er, wie die Energie aus ihm wich. Doch jetzt war es wieder da, das Prickeln an seinen Nervenenden, das Pulsieren in den Adern. »Vielleicht waren sie gleichzeitig bei Warren in Therapie«, sagte er. »Wenn sie sich kennen, hätten wir eine direkte Verbindung zwischen Freestone und der Mullen-Entführung.« Er sah zu Hignett. Dann zu Brigstocke. »Sir?«
Hignett zwinkerte nur, als blende ihn etwas.
»Hört sich nach unserem stichhaltigen Grund an«, meinte Brigstocke.
Nachdem sich die Besprechung aufgelöst hatte, bat er Thorne, noch kurz zu bleiben. Um mit ihm über einen Todesfall infolge zu schnellen Fahrens zu reden, für den Thorne die Prozessvorbereitung übernommen hatte.
»Tony Mullen ist schon jetzt aufgebracht«, sagte Brigstocke, als sie allein waren.
»Er weiß über Freestone Bescheid?«
»Er ist wegen Ihnen aufgebracht.«
»Aha …«
»Was zum Teufel war gestern Abend los?« Brigstocke trat hinter seinen Schreibtisch und setzte sich, als habe er in nächster Zeit nicht mehr vor aufzustehen.
»Trevor Jesmond hat wohl Hallo gesagt?«
»Er hat angerufen.«
»Tut ihm inzwischen sicher leid, dass er mich angefordert hat.«
»Mullen sagt, Sie hätten ihn und seine Frau richtiggehend belästigt.«
»Reden Sie mit Porter«, sagte Thorne. »Die war dabei. Ehrlich gesagt haben Mullen und seine Frau gebrüllt.«
»Er sagt, das sei Ihre Schuld gewesen.«
»Der kann mich mal.«
»Ich setze Sie davon ja nur in Kenntnis.«
Thorne wandte sich zur Tür. Es war immer wieder interessant, wie schnell ein gutes Gefühl verfliegen konnte. Man war sich nicht mal mehr sicher, ob man es gehabt hatte. »Danke, ich betrachte mich als in Kenntnis gesetzt.«
Brigstocke war noch nicht fertig. »Auch Barry Hignett sollten Sie sich nicht zum Feind machen.«
»Wollen Sie mir damit zu verstehen geben, dass ich schon genug Feinde habe?«
»Nein. Nur, dass es dumm wäre, das ist alles. Hignett ist kein übler Bursche, und er ist nicht blöd. Er gehört nur zu den seltsamen Typen, die einen Standpunkt haben, verstehen Sie? Der nicht locker lässt, weil er nicht als wankelmütig gelten möchte. Er ist das Gegenteil dieses Typs in The Fast Show, der immer sofort jedem recht gibt und ständig seine Meinung ändert.«
»Okay.« Thorne verstand, was Brigstocke meinte. Die Show hatte zu den Lieblingssendungen seines Vaters gehört. Der Alte hatte bei den unpassendsten Gelegenheiten die Slogans hinausgebrüllt.
»Es ist gut, Leute wie Hignett zu haben«, fuhr Brigstocke fort. »Manchmal ist sein Standpunkt ja auch richtig, und dann ist man froh, ihn auf seiner Seite zu haben. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er ebenso oft recht hat wie Sie.«
»Sicher öfter«, sagte Thorne. Er langte nach der Tür. »Auf alle Fälle …«
Das Auto wäre vielleicht die bessere Wahl, wenn es richtig schiffte, aber bis man an den ganzen Sicherheitsvorkehrungen vorbei war, den Schranken, und bis man einen Parkplatz gefunden hatte, war man auch zu Fuß vom Peel Centre zur Colindale-Polizeiwache gelaufen. Thorne und Holland
Weitere Kostenlose Bücher