Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
können wir das nicht sagen.«
Freestone richtete sich auf und rutschte mit seinem Stuhl vor. Zum zweiten Mal in diesen zwanzig Minuten fragte sich Thorne, ob er mit seiner Direktheit etwas erreicht hatte. Ob sie nun etwas hören würden, was sie weiterbrächte, oder wenigstens etwas Unerwartetes passierte.
Nicht dass ihm Enttäuschungen fremd waren.
Freestone legte die Hände flach auf den Tisch und atmete langsam aus. »Ich habe Sarah Hanley nicht umgebracht«, sagte er.
Es gab einige Orte, an denen Thorne seine Erwartungen weit nach unten schraubte: White Hart Lane, das Stadion der Tottenham Hotspurs, gehörte natürlich dazu; Trevor Jesmonds Büro; auf Irisch gemachte Pubs und jeder Zentimeter der Londoner U-Bahn. In der Kantine der Colindale-Polizeiwache empfahl es sich, gar keine Erwartungen zu haben.
Er schnitt durch die Kartoffelkruste seiner Shepherd’s Pie. Falls diese Hackfleisch enthielt, war es gut versteckt. »Sie werden besser«, sagte er.
Porter hatte, wie es schien, mit ihrem Sandwich eine kluge Wahl getroffen. Es war gerade noch genießbar.
»Für Sie ist das hier wohl ein Ausflug in die kulinarische Hölle«, sagte Thorne.
»Auch bei Scotland Yard bekommen Sie kein frisches Sushi«, sagte Porter, »aber besser als hier ist es. Allerdings sind wir ja auch wichtiger.«
»Einige Leute glauben das wirklich.«
Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, ganz im Ernst«, Thorne gestikulierte mit der Gabel. »Weil ihr versucht, Leben zu retten, weil ihr proaktiv handelt. Während wir nur reagieren – wenn eine Leiche auftaucht. Wir vergeuden unsere Zeit damit, die Mörder zu fassen, die Tote in der Gegend rumliegen lassen.«
»Na ja, in diesem Fall haben wir von allem etwas.« Offensichtlich hatte sie ein Lächeln oder zumindest eine leichte Entspannung von ihm erwartet. »Hören Sie, jeder, der das ernsthaft denkt, ist bescheuert.«
»Sehr bescheuert.«
»Ich weiß. Hab ich ja gesagt.«
»Wie viele Mörder könnten einen weiteren Mord begehen?«
»Einverstanden.«
»Wir retten auch Leben.«
Genervt hob Porter die Hände als Zeichen, dass sie sich ergab, und lächelte. »Warum erzählen Sie mir das alles? Ich seh das ja auch so.« Sie schob das halbe Sandwich weg, das noch übrig war. »Mein Gott, hier blitzt’s nur so von Abzeichen an den Uniformen. Man könnte ganz grün vor Neid werden. Oder liegt das eher am Essen?« Sie stand auf. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Danke.«
Er sah ihr nach, wie sie zur Kasse ging, und fragte sich, wo eigentlich sein Problem lag und warum er es an ihr ausließ. Ob er nicht hingehen und den Kaffee bezahlen sollte. Wie sie wohl nackt aussah.
Als sie an den Tisch zurückkam, kam er einer Entschuldigung so nahe wie nur möglich und erklärte ihr, dass er nicht gut geschlafen habe. Dass sein Rücken ihm noch immer verdammt zu schaffen mache. Sie sah ihn kurz mitleidig an und fragte ihn, was er von Freestone halte.
»Wir haben eine Reaktion«, sagte er.
»Aber was sagt uns das? Wir wissen, dass er ein Problem mit Tony Mullen hatte.«
»Er hat vielleicht noch immer eins.«
Porter rutschte zur Seite, als zwei Polizisten ihre Tabletts abstellten und über einen »Warmduscher« auf ihrer Wache herzogen. Sie senkte die Stimme. »Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass Tony Mullen ihm den Mord an Hanley anhängen will?«
»Keine Ahnung«, sagte Thorne. »Aber vielleicht denkt Freestone das.«
»Was uns nicht bei unserer Suche nach Luke Mullen weiterbringt.«
Sie hatte recht, keine Frage. Während des weiteren Gesprächs hatte Freestone nichts von sich gegeben, was ihren Puls schneller schlagen ließ. Nichts was darauf hingedeutet hätte, dass er an Luke Mullens Entführung beteiligt war oder einen der Beteiligten kannte.
Doch genauso, wie Thorne wusste, dass es früher oder später ein Problem mit seinem Auto geben würde oder man sich hier nie und nimmer einen Pudding kaufen sollte, so wusste er auch, dass Grant Freestone ihnen irgendwie weiterhelfen konnte. Mit einem Namen, einem Ort, einem Datum – irgendeinem verdammten Detail. Er wusste, dass sie es nur ausgraben mussten, wo immer es versteckt lag, und dann würde sofort alles viel mehr Sinn machen.
Sogar wenn Freestone selbst keine Ahnung hatte, dass er im Besitz dieser Information war.
»Keine Ahnung, was wir sonst tun können«, sagte Thorne. »Vielleicht sollten wir versuchen, einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen. Warren zwingen, uns zu sagen, ob er Tickell zur selben Zeit behandelte
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