Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
einem Arsch reiten?«
Sie blickte auf, plötzlich bitter. »Das ist die einzige Gelegenheit, die sich mir in den letzten Tagen bietet, über den Sedat-Fall auch nur nachzudenken.«
»Und?«
»Ich hätte zu Hause bleiben sollen.«
»Ihre geheimnisvolle Frau hat sich nicht mehr gemeldet?«
»Wir haben uns für den Dienstag fünf Minuten in Crimewatch geschnappt. Mal sehen, ob das Fernsehen sie hinter ihrem Ofen hervorlockt«, sagte Kitson.
»Machen Sie es selbst?«
»Sie haben sonst keinen gefunden.«
»Also, wenn kein Fußball läuft und sie nicht meine Lieblingstiersendung wiederholen oder Malen für Anfänger , dann schau ich es mir an …«
Eine Stunde oder so erzählten sie sich Crimewatch -Geschichten, eigene und die anderer. Sie witzelten über den stets braun gebrannten Moderator und das unangenehme dämliche Grinsen, mit dem er den Zuschauern empfahl: »Und schlafen Sie gut«, und sie daran erinnerte, wie gering die Gefahr sei, dass sie Opfer eines Verbrechens würden. Kitson sagte, am liebsten würde sie diesen Klugscheißer an den Ohren durch die Einsatzzentrale ziehen. Und ihn vielleicht noch zu einer Autopsie mitnehmen. Mal sehen, ob ihm dann die Farbe aus dem Gesicht wich.
Thorne meinte, eine ordentliche Ohrfeige täte es wahrscheinlich genauso.
Draußen wurde es schnell dunkel: Hendon als glitzerndes Patchwork hinter Glas und die Scheinwerfer der Autos auf dem Weg von Brent Cross zur M1 leuchteten auf. Aber Thorne fehlte die Energie, um nach Hause aufzubrechen, um Louise anzurufen und weiterzustreiten. Als der Tag sich seinem Ende zuneigte, beschloss er, mit Kitson noch einen Happen zu essen. Sie überlegten gerade, ob sie ins Royal Oak oder zum Chinesen um die Ecke gehen sollten, als Thorne einen Anruf von der Pforte bekam, er habe einen Besucher.
Brian war zuweilen ein richtiges Arschloch und würde selbst von Tony Blair einen Ausweis verlangen, aber mit Polizisten kannte er sich aus.
»Einer vom DPS«, sagte er.
»Oh, fein. Sind Sie sich sicher?«
»Ich wette zwanzig Mäuse, der ist von der Dunklen Seite.«
Eine Wette, die Thorne nie und nimmer angenommen hätte. »Von Colindale, was meinen Sie?«
»Nein, nicht von hier. Dafür ist der Mantel zu schick.«
»Sie sind eine Verschwendung an der Pforte, Brian.«
»Er sagt, er wartet am Empfang auf Sie …«
»Was sind wir plötzlich beliebt«, meinte Kitson, als Thorne auflegte. »Ob es einer von den beiden ist, die neulich beim DCI waren?«
Thorne sagte, dass Brian das nicht denke. »Aber wer immer er ist, er muss ein scharfer Hund sein. Fünf Uhr Nachmittag und das am Sonntag.«
»Einer wie wir, der besoffen ist von seinem Job. Oder der niemanden hat, mit dem er den Sonntag verbringen kann.«
Thorne versprach, sich zu beeilen. Er packte seine Jacke und sagte Kitson, sie solle sich ein Lokal aussuchen, in das sie gehen konnten, wenn er fertig war.
Er nahm die Treppe. Der Geruch des neuen Teppichs traf ihn wieder unvorbereitet und versetzte ihn zurück in diesen Moment der Unsicherheit in seiner Kindheit.
Was nur zu seiner Nervosität beitrug.
Ein normaler Bürger, der mit einem Polizisten spricht, wird oft von Schuldgefühlen überwältigt, so harmlos der Anlass für die Befragung auch sein mag. Polizeibeamten ergeht es ähnlich, wenn sie mit einem Vertreter des Directorate of Professional Standards sprechen müssen.
Auf dem Weg zum Erdgeschoss zermarterte sich Thorne das Gehirn und fragte sich, was er wohl angestellt haben mochte.
Dreizehntes Kapitel
Sie liefen im Dunkeln über den Paradeplatz, den KFZ-Übungsplatz und langsam den Weg um den Sportplatz entlang.
»Als Polizeischüler kam mir das um einiges größer vor.«
»Wann war das?«
»Ich war vor achtzehn Jahren mit der Ausbildung fertig.«
Zu wenig, um Detective Sergeant Adrian Nunns Alter exakt festzumachen, aber Thorne fühlte sich in seiner ursprünglichen Annahme bestätigt, dass er Ende dreißig war.
»Sie?«, fragte Nunn.
»Bei mir liegt das um einiges länger zurück …«
Vor fünf Minuten, in dieser kurzen Spanne zwischen dem Betreten des Empfangsbereichs des Becke House und dem Händeschütteln, war Thorne zur selben Einschätzung wie sein Freund an der Pforte gelangt.
Sie hatten beide ihr Gespür nicht verloren.
Die Anti-Corruption Group befasste sich nur mit den schwersten Verbrechen, in die Beamte der Met verwickelt waren. Wenn Nunn sich als solcher vorstellte, dann ging es hier nicht um einen simplen Verstoß. Er war nicht hier, weil irgendein
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