Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
dieser Gremien verantwortlich, und ihr Vertreter, der Area Homicide Commander, leitete das Meeting. Alistair Johns war Anfang fünfzig, untersetzt und kräftig, mit einem verkniffenen Gesicht, als liefe er ständig durch heftigen Regen. Er eröffnete das Meeting und sorgte dafür, dass jeder am Tisch den Namen der anderen kannte. Neben Trevor Jesmond und Russell Brigstocke war da noch ein mürrisch dreinschauender DS namens Proctor von der Community Relations Unit und eine Frau namens Paula Hughes, eine Pressedame, wie Thorne vermutete. Eine andere Frau, eine Polizistin in Uniform, deren Namen Thorne wegen eines unterdrückten Gähnens nicht richtig verstanden hatte, führte das Protokoll. Sie schien bereits jetzt genug zu haben. Vielleicht dachte sie aber auch nur an die Arbeit, die vor ihr lag: ihre Notizen abzutippen, endlose E-Mails zu verschicken und für jeden, vom Commissioner bis zum Bürgermeister, einen gebundenen Bericht vorzubereiten.
»Legen wir los«, sagte Johns. »Es handelt sich hier um eine laufende Ermittlung, und ich bedanke mich bei DCI
Brigstocke und DI Thorne, dass sie sich die Zeit nahmen, hier bei uns zu sein.«
Thorne sah zu Brigstocke, den die Tischoberfläche plötzlich ungemein zu faszinieren schien.
»Allerdings berührt das hier womöglich Probleme, die erst später relevant werden, wie zum Beispiel die öffentliche Wahrnehmung dieses Falles. Das heißt, einige Entscheidungen müssen jetzt getroffen werden. Bereiten wir uns auf die Fragen vor, die mit Sicherheit gestellt werden, egal ob wir den Fall lösen oder nicht.«
»Wir werden den Fall lösen«, sagte Jesmond. Er nickte Brigstocke zu, der seinen Blick nicht mehr von der Tischoberfläche lösen konnte. Dass Jesmond hier voller Selbstvertrauen auftrat, war natürlich zu erwarten gewesen. Das Letzte, was Johns hören wollte, waren Zweifel. Ein Stück draufgängerischer Optimismus kam oben immer gut an.
Der Geruch von gequirlter Scheiße hatte nicht lange auf sich warten lassen.
Als Thorne das erste Mal von den Gremien zur Klärung kritischer Ereignisse hörte, dachte er, sie seien als Folge terroristischer Angriffe eingerichtet worden, aber er hatte schnell herausgefunden, dass es dabei um die Schadensminimierung in der öffentlichen Meinung ging, um die Diskussion von Fällen, die mit großer Wahrscheinlichkeit Kritik von der Presse oder den Interessengruppen auf sich ziehen würden. Häufig ging es nur darum, sich abzusichern, und darum, welche Verteidigungsstrategie die beste war.
»Wir müssen über die Medien sprechen«, sagte Johns. »Wie wir sie im weiteren Verlauf der Ermittlung einsetzen oder nicht einsetzen. Wie’s aussieht, haben wir unser Pulver trocken gehalten, was den Serienmordcharakter dieser Taten angeht.«
»Einigermaßen trocken«, rutschte es Thorne heraus. Doch er hielt Jesmonds Blick stand, der ihm sagen wollte, er hätte besser den Mund gehalten. »Ein Journalist hat es bereits durchschaut.«
Johns sah auf seine Unterlagen. »Nicholas Maier. Der Ihnen aber versicherte, er sei sich über die Bedeutung von Diskretion im Klaren.«
»Er ist sich darüber im Klaren, dass wir ihn vorab informieren, um uns sein Schweigen zu erkaufen. Woraus, wenn er Glück hat, noch ein Buch wird.«
»Lässt sich nicht viel dagegen machen«, sagte Brigstocke.
Jesmond ließ eine Tirade gegen Nicholas Maier »und seinesgleichen« los, die sich mit dem Leiden anderer ihr Geld verdienten. Er nannte sie »Schreiberlinge« und »Parasiten« und erklärte, sie stünden in der Nahrungskette nur ein paar Stufen über den Mördern selbst. Allgemeines Nicken und Murmeln in der Runde, nur eine Person am Tisch hielt sich zurück. Man konnte den Eindruck gewinnen, Jesmonds Ausfälle kämen aus tiefstem Herzen, aber Thorne wusste, dass der Superintendent nur bei einem Thema Leidenschaft entwickelte: seinem Aufstieg auf der Karriereleiter. Wieder trafen sich ihre Blicke, und Thorne lächelte wie ein guter Junge. Dabei beschäftigte ihn die Frage, welcher Schreiberling wohl in ein paar Jahren den Ghostwriter für Jesmonds Autobiographie abgeben würde.
»Wir werden ein Auge auf Mr Maier haben«, erklärte Johns. »Aber logischerweise liegt heute unser Hauptfokus auf der Suche nach unseren drei potentiellen Opfern.« Er sah auf seine Unterlagen. »Andrew Dowd, Simon Walsh und Graham Fowler.«
»Was das angeht, sollten wir vielleicht anfangen, Bilder rauszugeben«, schlug Brigstocke vor.
Thorne sah hinüber zu seinem DCI, Bewunderung
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