Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
nicht wahr?«
Sollten sie später im Verhörraum die Einzelheiten aus ihr rausholen. Helen konnte es sich in etwa vorstellen. Eine Überfliegerin aus der City, mit einem gehobenen Lebensstil und einer sehr teuren Vorliebe. Überzogene Kreditkarten, ein wachsender Schuldenberg und ein Dealer, bei dem man in der Kreide steht und der mit einer überraschenden Idee anrückt, wie man diese Schulden abbezahlen könnte. Das hübsche Haus um die Ecke war wahrscheinlich auf Pump gekauft, es sei denn, die ältere, reichere Hälfte kam dafür auf.
An diesem Punkt fragte sich Helen, wie viel Patrick wohl wusste.
»Ich hatte keine Wahl«, sagte Ruston.
Helen hätte sich über den Tisch hinweg auf sie stürzen können. Stattdessen erklärte sie ihr, dass man normalerweise, wenn man vor die Alternative gestellt wurde, eine Schuld zu begleichen oder einen Menschen umzubringen, kurz innehielt und nachdachte. Am liebsten hätte sie jedes einzelne Wort in sie hineingeprügelt.
»Sie haben mir gedroht, meiner Familie etwas anzutun.«
»Und was haben Sie meiner Familie angetan?«
Nun probierte es Ruston mit heftigem Schluchzen, sie klammerte sich an die Stuhllehnen und schüttelte den Kopf, wischte sich den Rotz mit dem Ärmel weg. »Ich hatte keine Ahnung, dass jemand sterben würde. Sie haben mir nichts gesagt. Sie haben mir nur gezeigt, wo … welche Geschwindigkeit … ich hatte keine Ahnung, wer … das …«
»Wer das Opfer war?« Ruston öffnete den Mund, doch
heraus kam nur ein heiseres Krächzen, als kratze ein Nagel über eine Schiefertafel. »Wenn man jemanden überfährt, dann richtet man in der Regel einen ziemlichen Schaden an.«
»Es tut mir leid …«
»Und ob Ihnen das leidtun wird.«
Helen stand auf und ging um den Tisch herum, als sie Patrick durch den Innenhof auf sie zueilen sah. Sie beugte sich vor und packte Ruston an der verletzten Schulter. Sie sagte es höflich und ruhig, damit Ruston merkte, dass sie es genau so meinte: »Ich wünschte, Sie hätten sich den Hals gebrochen.«
Falls Patrick überhaupt überrascht war, sie zu sehen, zeigte er es nicht. Er deutete mit dem Daumen auf den Eingang. »Was soll der Auflauf? Da stehen zwei Polizeiwagen draußen.«
»Sarah ist vielleicht die nächste Zeit unabkömmlich«, sagte Helen. Sie sah zwei Polizeibeamte in den Empfang eilen und ihre Dienstausweise zücken. Hinter ihnen kamen noch mehr Polizisten durch die Glastüren. Sie würde sich bei ihnen auf dem Weg nach draußen bedanken.
Bevor sie ging, blieb sie vor Patrick stehen. »Nur damit Sie es wissen: Ihr BMW ist mir scheißegal.«
Theo trug seinen Teller in die Ecke und holte sich dann noch ein paar Boulevardzeitungen, die jemand an der Bar hatte liegen lassen. Damit konnte er vielleicht eine halbe Stunde totschlagen. So war es wohl, wenn man seinen Job verlor. Nur dass ihm niemand gekündigt hatte und man sich, wenn man arbeitslos wurde, normalerweise nicht mit der Frage quälte, wann man niedergeknallt würde.
Seit die Toten in der Wohnung gefunden worden waren, fiel alles auseinander. Die Polizei hatte die Wohnung ausgeräumt, und die Schnüffelhunde waren halb durchgedreht. Jetzt war es nur eine leere Wohnung mehr in dem Block. Die Geschäfte waren zum Erliegen gekommen, die Kunden kauften woanders,
und die Leute aus der Gang standen an den Ecken und fragten sich, was wohl als Nächstes passieren würde.
Vor ein paar Tagen schien Easy alles so weit geregelt zu haben – es sah aus, als kehre wieder Ruhe ein. Aber Theo hatte ihn seit Samstagnacht nicht mehr gesehen. Niemand hatte ihn gesehen. Die Wahrheit war, es hing ihm zum Hals heraus, ständig nach Easy gefragt zu werden. Wo er steckte und was er trieb.
Theo hatte ihn unzählige Male angerufen, aber Easys Handy war ausgeschaltet oder der Akku war leer.
Oder was auch immer.
Die Titelseiten waren noch immer voll mit den Berichten über die Morde, aber es war nichts dabei, was er nicht schon gelesen hatte. Als wärmten sie nur die alten Geschichten auf, um die Auflage zu steigern, während sie mit angehaltenem Atem auf den nächsten Mord warteten. Als wüssten sie, dass er kommen würde. Er dachte zurück, wie Easy vor dem Club völlig durchdrehte und ihnen fast den nächsten Toten für ihre Phrasendreschereien geliefert hätte.
Theo war am Sonntag darauf zum Dirty South gegangen und hatte nach Blutflecken gesucht. Er hatte nichts gefunden und war erleichtert gewesen, dass Easy sich damit zufriedengegeben hatte, mit seinem Messer
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