Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Mensch, dem er sich anvertrauen konnte«, sagte Linnell. »Denken Sie darüber nach. Wem soll
ich es schon sagen? Glauben Sie, was Sie wollen, aber ich schmiere nicht einen einzigen Bullen. Und das, was Paul vorhatte, bereitete einigen meiner Konkurrenten erhebliche Probleme. Umso besser. Ja, kurz vor seinem Tod kam er zu mir und fragte, ob ich ihm ein wenig auf die Sprünge helfen könnte – und glauben Sie mir, ich wünschte, ich hätte es getan -, aber das war schon alles.« Er spielte an seiner Goldkette, wickelte sie um einen Finger. »Ich glaube, er brauchte jemanden, mit dem er darüber reden konnte, verstehen Sie? Das hat ihm zu schaffen gemacht. Und er hatte niemanden sonst.«
Das brachte eine gewisse Erleichterung, eine willkommene Dosis Aufhellung, aber dieses Gefühl war schnell verflogen und hinterließ einen schalen Nachgeschmack. Helen ertrug die Vorstellung nicht, dass das, was Linnell ihr erzählte, sie trösten sollte, so wenig, wie sie den Gedanken ertrug, dass er mit seinem Rachefeldzug gegen die Jungs in dem Auto davonkommen könnte.
Doch sie konnte nicht viel dagegen machen.
»Sie wissen also nichts über diese Morde?«
»Außer dem, was Sie mir soeben erzählten, meinen Sie?«
»Und was Sie in den Nachrichten gesehen haben, natürlich.«
Er trank das aus, was von seinem Tee noch übrig war, und lächelte. »Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir hören wollen, Helen.«
Als sie ihren Stuhl zurückschob, stand Linnell auf und streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, was sie ignorierte. Er sah ihr zu, wie sie aufstand und nach draußen ging. Dabei schüttelte er den Kopf, als sei er enttäuscht von ihr und als habe sie sich schlecht benommen. Er fragte sie, ob sie sicher sei, dass sie keinen Kuchen wolle, er würde ihr gern ein Stück einpacken.
Er öffnete den Kühlschrank, aber Helen ließ sich nicht beirren.
Theo hatte es seiner Mutter angehört, als sie anrief, und er sah es an ihrem Gesicht, als er in die Wohnung kam, als sie vom Sofa aufstand und zu ihm kam, um ihn zu umarmen.
»Hast du was getrunken?«
»Ich hab einiges getrunken.«
»Was ist denn los?«
»Warum soll was los sein?«
»Es ist nicht Sonntag«, sagte Theo.
Sie setzten sich an den Wohnzimmertisch. Sie bot ihm nichts an und fragte ihn auch nicht, ob er bereits gegessen habe. Sie nahm die Brille ab und rieb sich die Augen.
»Alles in Ordnung mit Angela?«
Sie sah ihn an, als sei diese Frage unfassbar lächerlich. »Angela ist in der Schule.«
»Du hast mir einen Schrecken eingejagt, das ist alles.« Er lächelte, fürchtete jedoch, dass ihm das Lachen bald vergehen könnte.
» Ich hab dir einen Schrecken eingejagt?« In den Augen seiner Mutter blitzte Wut auf, was nur selten vorkam.
»Was?«
»Wie lange machst du dir denn schon Sorgen? Die paar Minuten, seit du in der Wohnung bist?« Durch den Alkohol trat ihr Akzent stärker hervor, sie sprach rhythmischer und dehnte die Wörter. »Möchtest du wissen, wie es ist, wenn man sich ständig sorgt?«
Theo sog die Luft durch die Zähne und wich ihrem Blick aus. Sie hatte keine Ahnung.
»Wenn du dir so große Sorgen machst, dass du nicht schlafen kannst? Dir wegen eines Kindes so viele Gedanken machst, dass du keine Zeit mehr hast, über das andere Kind nachzudenken?«
»Komm schon, Mum …«
»Hör mir bloß damit auf.« Sie schüttelte langsam den Kopf
und stand auf. »Ich will nicht mit dir streiten, Theodore.« Sie stand auf und holte ihre Handtasche, die auf dem Sofa lag. »Ich will nicht wütend auf dich werden.«
»Ist gut.«
»Ich hätte diese Flasche nicht aufmachen sollen.«
»Ab und zu ein Gläschen schadet nicht.«
Sie ging mit der Handtasche zum Tisch und setzte sich. »Ich glaube, man macht sich mehr Sorgen, wenn man seine Kinder spät bekommt. Man hat Angst, dass man nicht so lange für sie da ist, verstehst du?«
»Ich weiß.«
»Was natürlich bei deinem Vater auch so war.«
Theo überlegte kurz, ob er den Kopf so voll gehabt hatte, dass er ein wichtiges Datum übersehen hatte: den Geburtstag seines Vaters oder seinen Todestag. Aber beide Jahrestage waren erst in ein paar Monaten.
»Er hat immer gesagt, du wärst zu klug«, sagte sie. »Dort drüben hat er gesessen und gesagt, du wärst so ein schlauer Kopf und dass du das von seiner Seite der Familie haben müsstest.«
»Ja, das hat er zu mir auch gesagt.«
Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht, das ein Seufzer zunichtemachte. »Zu klug, um sich in Dummheiten
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