Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
sicher nicht leicht werden würde.
»Wir hatten gedacht, ihr bleibt noch.«
»Ihr habt doch schon ein volles Haus.«
»Es ist kein Problem, wirklich nicht. Wir haben für dich und deinen Dad bereits die Betten gemacht.«
»Ich sollte wirklich nach Hause«, sagte Helen. »Ich glaube, ich brauch das jetzt.«
»Das hier ist auch dein Zuhause, Helen.«
»Trotzdem …«
An der Tür umarmte Caroline Hopwood sie und sagte, sie wolle alles tun, was in ihren Kräften stehe, um ihr Enkelkind großzuziehen. Es wäre schön, wenn es ein Junge würde, meinte sie. Sie habe keinen Enkelsohn. Helen versprach, ihr Bescheid zu sagen, sobald es etwas Neues gebe, und als ihr Vater mit ihr wegfuhr, winkte sie aus dem Auto, bis sie um die Ecke bogen.
Es war nach neun Uhr, als sie Tulse Hill erreichten. Und obwohl es draußen noch hell und sonnig war, wirkte die Wohnung kalt. Helen war erschöpft, aber sie hatte nicht gewusst, wie erschöpft sie war, bis sie sich von ihrem Vater verabschiedet hatte und mehr oder weniger durch die Haustür fiel. Sie kochte sich einen Tee und zog das Kleid und die Strumpfhose aus. Dann setzte sie sich im Bademantel auf den Balkon und versuchte, sich zu sammeln.
»Ein Schlitzohr also, sogar schon als Kind, Hopwood?«
Wie lange es wohl dauern würde, bis sie nicht mehr mit ihm sprach? Ob sie damit aufhören würde, bevor sie sein Gesicht nicht mehr klar sehen konnte?
Sie nahm die Agende aus ihrer Handtasche und strich den Knick in der Karte glatt. Er zog sich genau durch Pauls Foto auf der Rückseite. Die Musik, die Pauls Mutter ausgesucht hatte, war doch ganz nett gewesen. Aber Helen war dennoch wütend auf sich, weil sie so schnell nachgegeben hatte.
Man könnte meinen, es sei ihr egal.
Sie sah Pauls alte Queen-Alben durch, bis sie den Song gefunden hatte, den sie suchte. »Who Wants to Live Forever?« lief noch fünfzehn Minuten später auf »Repeat«, als sie ins Bett fiel.
Sie lag da und sah zu, wie es dunkel wurde. Dabei lauschte
sie der Musik und wünschte sich, sie könnte Paul von dem Tag berichten, und sie könnten gemeinsam darüber lachen. Sie wünschte sich, dass es noch so zwischen ihnen gewesen wäre, bevor er starb. Sie wollte sich zusammenrollen und alles zerschlagen, demjenigen wehtun, der Schuld daran hatte, dass sie sich so fühlte, wie sie sich fühlte. Der Schuld daran hatte, dass dieses Loch in ihr war. Sie lag da, und die Tritte in ihr waren wie kleine Schreie.
Ihr Baby sollte in zwei Tagen zur Welt kommen.
34
»Ich fand es nett«, sagte Laura.
»Das sind sie meistens … nett , oder?« Frank trug ein Tablett mit dem Frühstück in den Wintergarten. Es war ein herrlicher Morgen, und er genoss es, in den Garten zu schauen, während er aß und die Zeitungen durchblätterte. »›Nett‹ ist so verdammt … sicher «, sagte er. »Findest du nicht?«
»Die Leute sehnen sich nach Sicherheit, wenn sie gerade jemanden verloren haben. Wie sollen sie sich denn deiner Meinung nach fühlen wollen?«
»Ich möchte nur ein Mal eine Beerdigung erleben, die etwas über den Verstorbenen aussagt, verstehst du? Bei der man etwas davon spürt, wie er wirklich war.«
»Ich fand das richtig rührend, was dieser Polizeibeamte sagte, und die Lesung …«
»Ja, nett , ich weiß.« Frank schüttelte den Kopf. »Dieser Cop sagte wahrscheinlich das, was er auf jeder Beerdigung sagt. Versteh mich nicht falsch. Ich meine nicht, dass die Leute tanzen und Witze erzählen sollen, aber es sollte etwas … frischer zugehen. Und ein bisschen weniger Gottesgedöns würde auch nicht schaden.«
Laura lächelte. »Mir gefällt das alles.«
»Paul hatte nun wirklich keine religiöse Ader, und seine Freundin scheint mir auch nicht gerade eine Kirchgängerin zu sein. Also, was soll das?« Er aß ein Stück Toast und lehnte sich zurück. »Paul hätte das gehasst. Er hätte sich über diesen Vikar lustig gemacht oder dagegen angekämpft, einzuschlafen.«
»Ist da heute jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden?«
»Stimmt, ich hab nicht gut geschlafen.« Er schaute an ihr vorbei hinaus auf den Rasen. Der Garten sah gut aus, aber er musste diesem Faulpelz auftragen, mehr auf die Rasenkanten zu achten. »Er fehlt mir einfach sehr, das ist alles. In dieser Phase meines Lebens brauche ich alle Freunde, die ich habe.«
»Du bist nicht alt, Frank.«
»Fühlt sich aber manchmal so an.«
»Natürlich fehlt er dir«, sagte Laura. »Mir fehlt er auch.«
»Es wär einfach gut gewesen, wenn es gestern etwas
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