Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
hineinziehen zu lassen und in Schwierigkeiten zu kommen.« Sie hielt inne und fummelte am Verschluss ihrer Handtasche. »Keiner hatte ein so gutes Herz und arbeitete so hart wie er«, sagte sie. »Aber manchmal sah er die Scheiße nicht, auch wenn er bis zum Hals drinsteckte.« Sie sah Theo an.
Theo hielt den Blick gesenkt. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so über seinen Vater gesprochen hatte.
»Ich schon«, fuhr sie fort. »Man müsste blind sein, um nicht zu sehen, was hier läuft, oder dumm. Du weißt, ich bin keines von beidem.«
»Klar weiß ich das …«
Sie hob den Finger, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Also …« Sie öffnete die Handtasche und zog ein kleines blaues Heft aus Plastik heraus. Das schob sie ihm über den Tisch zu.
Theo schlug es auf. »Was ist denn das?« Dabei war es klar; das Logo der Bausparkasse vorn, die aufgelisteten Einzahlungen.
»Ihr könntet von hier weggehen«, sagte sie. »Du, Javine und Benjamin.« Sie deutete auf das Heft in seinen Händen. »Es ist nicht viel, knapp neunhundert Pfund, aber es reicht, um woandershin zu gehen und über die Runden zu kommen, bis du was gefunden hast.«
Theo wollte ihr das Heft zurückgeben. »Vielleicht solltest du dich weiterhin darauf beschränken, nur am Sonntag was zu trinken, hm?«
Sie sah es nicht mal an.
Er blätterte es durch, alle vierzehn Tage hatte eine Einzahlung stattgefunden, ohne Ausnahme. Sein Mund war trocken, und seine Finger fühlten sich auf dem Plastik feucht an. In seiner Tasche steckte noch immer die Waffe. »Wir könnten alle weg«, sagte er.
Hannah Shirley schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?« Er beugte sich über den Tisch. »So wie letztes Mal.«
»Ich will nicht weg«, sagte sie. »Ich habe so viele Freunde hier, und Angela hat jetzt auch Freunde gefunden. Es ist nicht so wie letztes Mal. Ich will sie nicht herausreißen.«
Theo dachte daran, was sie vor ein paar Minuten gesagt hatte: Die Gedanken seiner Mutter kreisten ständig um ihn, und dabei blieb seine Schwester außen vor. »Du kannst dir nicht leisten, mir das zu geben«, sagte er.
Sie tat, als ziehe sie ein beleidigtes Gesicht. »Ich bin kein nutzloses altes Weib, weißt du? Ich bin einundfünfzig Jahre
alt und bekomme noch immer die Rente deines Vaters von London Transport, und bis deine Schwester mit der Schule fertig ist, kann ich mir einen Teilzeitjob suchen. Das würde mir gefallen , in einem Laden oder so zu arbeiten. Ehrlich gesagt wäre es schön, etwas mehr rauszukommen. Ich kann gut mit Menschen umgehen, weißt du?«
»Ich weiß, ja.«
»Und du «, sie deutete auf ihn, »musst dich ein bisschen mehr um deine eigene Familie kümmern.« Sie lehnte sich zurück und schaute ihm in die Augen. Dann hob sie die Hände, als sei das alles dummes Geschwätz und rein hypothetisch. »Ich rede ja nur.« Lächelnd legte sie ihre Hand auf Theos Hand. »Das kommt vom Trinken.«
Theo nickte. »Okay.«
»Gut, dann koche ich uns jetzt einen Tee …«
Als sie in der Küche verschwunden war, sah sich Theo das Sparbuch an, das seine Mutter auf dem Tisch hatte liegen lassen. Einige Einzahlungen waren geradezu lächerlich klein, ein paar Pfund, aber es war alle zwei Wochen etwas eingezahlt worden, und die Liste der Einzahlungen war viele Seiten lang.
Theo stiegen die Tränen in die Augen. Als er sie wegwischte, sah er auf, und sein Blick fiel auf seine Mutter, die in der Tür stand und ihn beobachtete.
»Auch davor brauchst du keine Angst zu haben«, sagte sie. »Dein Vater hat nie geweint. Er war einer von diesen Männern. Sogar als er krank war, musste ich für uns beide weinen.« Sie lehnte sich gegen den Türrahmen. »Das einzige Mal, dass er weinte, war, als England die Westindischen Inseln schlug …«
Kurz nachdem Helen gegangen war, kam Laura herunter und setzte sich auf die unterste Stufe. »Ich hab euch streiten hören«, sagte sie.
»Wir haben nicht wirklich gestritten.« Frank ging langsam in der Diele auf und ab. »Sie hat sich nur ein bisschen aufgeregt, das ist alles. Daraus kann man ihr schwerlich einen Vorwurf machen.«
»Ich hab keine Ahnung, wie sie das schafft«, sagte Laura. »Wie sie in der Gegend herumläuft und Leute trifft und einfach weitermacht. Ich glaube, ich würde mich nur verkriechen wollen.«
»Ja, sie ist zäh. Muss sie auch sein.«
Dann fragte er Laura, was er tun solle. Ob er Helen helfen solle, indem er ihr sagte, was er wusste. Er würde ihr logischerweise nicht erzählen, woher er
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