Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
wie er um sie herumschlichen.
»Du bist ein guter Sohn«, sagte Javine.
»Der seine Mutter um Geld anhauen muss.«
»Sie hat es dir angeboten .«
»Es sind ihre ganzen Ersparnisse.«
»Ich weiß, du denkst an deine Mutter, T …«
Sie brauchte nicht mehr zu sagen. Aber was ist mit mir? Was ist mit Benjamin?
Theo sah ihr nach, als sie kehrtmachte und zurück in die Küche ging. Er hörte die Kühlschranktür zufallen und das
Summen der Mikrowelle, als sie das Fläschchen aufwärmte. »Wir brauchen dieses Geld nicht«, sagte er.
Er sah hinüber zu Benjamin, der strampelte und zu seinem Ebenbild in dem kleinen Plastikspiegel hinaufschaute. Falls er mit dem Leben davonkam, dann wollte er, egal, wo er landete, nur eines: dass sein Sohn sich im Spiegel betrachten und zufrieden sein konnte.
Der Geschäftsführer des Cue Up war ein Dicker mit Glatze namens Adkins. Er hatte einen fetten Hintern und trug ein kurzärmeliges Hemd mit Krawatte, was Helen immer lächerlich fand. Sie war sich nicht sicher, was er da in seiner Abstellkammer von Büro am Computer trieb, aber er war nicht gerade gut gelaunt, als er ihr die Tür öffnete.
Wieder einmal tat der Dienstausweis seine Wirkung, allerdings würdigte Adkins ihn kaum eines Blickes, bevor er Helen zu einer Gruppe schmuddeliger Monitore unter dem einzigen Fenster führte.
Er machte irgendwie den Eindruck, als habe er sie erwartet.
Das Überwachungssystem war nicht von schlechten Eltern, eine Kamera am Clubeingang, mehrere in der Bar und bei den Snookertischen sowie an der Treppe und vor den Toiletten. Die Abspielmöglichkeiten der Bänder waren jedoch bei weitem nicht so komfortabel wie im Videoüberwachungszentrum, wo Helen sich vor zwei Wochen angeschaut hatte, wie Paul in Ray Jacksons Taxi stieg.
»Könnte ein wenig dauern«, sagte Adkins.
»Wie lange?«
»Immer mit der Ruhe!«
Es war erdrückend heiß in dem Büro. Und während Adkins die Aufnahmen durchsah, ging Helen hinüber zu dem kleinen Wasserkühler in der Ecke und verhalf sich selbst zu der Erfrischung, die ihr anzubieten ihr Gastgeber keine Anstalten
machte. Sie spürte, wie ihr am Nacken und am Bauch der Schweiß ausbrach. Und selbst nach drei Bechern war ihr Mund noch immer ganz trocken, und das Schlucken fiel ihr schwer.
Das Baby bewegte sich. Alle paar Minuten ein paarmal. Ein Ruck ganz tief unten, der neu war und bei dem ihr jedes Mal kurz die Luft wegblieb. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Körper ahnte, was ihm bevorstand, oder ob es die Nerven waren … die Angst davor, was sie zu sehen bekommen könnte.
Was man sie sehen lassen wollte .
»Da wären wir.« Adkins ging zurück an den Computer und ließ sich in seinen Stuhl fallen. »Bitte sehr … der Zweite von links.«
Helen ging hinüber und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Es war ein kleiner Monitor, nur knappe dreißig Zentimeter Durchmesser, und das Metallgehäuse war schon ziemlich verbeult. Sie sah ein Standbild: eine verschwommene Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Gangs; in der linken unteren Ecke die dunkle Linie eines Handlaufs.
»Ich habe es angehalten«, sagte Adkins. »Drücken Sie einfach PLAY.«
Helen drückte die Taste und sah zu. Eine halbe Minute lang geschah nichts, nur die Zeitangabe in der rechten unteren Ecke änderte sich, zählte Sekunde um Sekunde ab. Das einzige Geräusch war ein leises Zischen. Sie wandte sich zu ihm und fragte ihn, wo man die Lautstärke regulieren könne.
»Das System hat keine Tonaufnahmen«, sagte Adkins. »Wär schweineteuer.«
Als Helen sich wieder umwandte, sah sie zwei Gestalten rasch auf die Kamera zukommen, in einem Abstand gefolgt von einer dritten Person. Die zwei Männer waren in ein Gespräch vertieft, nickten und gestikulierten mit den Händen.
Wave und der Mann im Anzug.
Kurz bevor sie die Kamera erreichten und das Bild verzerrt
wurde, bogen sie nach rechts zur Treppe ab und verschwanden aus dem Blickfeld. Die dritte Gestalt, ein kräftig gebauter Pakistani, folgte ihnen. Helen spulte das Band zurück zu der Stelle, bevor Wave und der Mann im Anzug verschwanden. Dann hielt sie das Bild an und erstarrte wie die Gestalten vor ihr.
Sie schaute auf ein Gesicht, das sie erkannte, dessen Lächeln sie erwidert hatte; ein Gesicht, das vor zwei Tagen noch voller Trauer und Mitgefühl gewesen war.
Adkins hörte, wie sie die Luft anhielt. »Alles in Ordnung? Sie werden doch nicht …«
»Ich brauche diese Aufnahme«, sagte sie.
»Geht in Ordnung. Ich mache Ihnen eine
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