Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Kopie.«
»Ich möchte sie jetzt.«
Während Adkins sich noch hochzog, entnahm Helen das Band aus dem Videorekorder. Er rief ihr etwas nach, als sie hinausging, aber sie hörte es nicht. Es war ihr egal. Zwei Treppen hinunter und hinaus auf die Straße, sie wollte laufen, achtete aber auf ihre Schritte, während sie die Kassette so fest hielt, dass sie schon fürchtete, mit den Fingern durch das Plastikgehäuse zu brechen.
Dabei fiel ihr eine Bemerkung Ray Jacksons ein, als er hinten in seinem Taxi saß. Etwas, dessen Bedeutung sie schon früher hätte erkennen müssen.
Ein gepflegter blauer Mercedes stand gegenüber dem Clubeingang. Jacky Snooks beugte sich zu dem Mann auf dem Rücksitz. Als Snooks sich aufrichtete und zur Seite trat, sah Helen Frank Linnell. Sie blieb ein paar Meter entfernt stehen. Sie wollte unbedingt zu ihrem Auto, aber sie wusste, das wäre nicht möglich, ohne dass sie ein paar Worte wechselten. Linnell wartete darauf. Auf dem Fahrersitz erkannte sie den Mann, der sie in Linnells Pub hineingelassen und ihr etwas zu trinken gebracht hatte. Und sie erinnerte sich an seine Stimme.
Endlich wusste sie, von wem die anonyme Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter stammte.
»Helen …?«
Sie sah Linnells Gesicht und wusste, warum.
Linnell beugte sich aus dem Fenster und deutete mit einem Kopfnicken auf die Kassette in ihrer Hand. »Jemand, den Sie kennen?«
»Ich hab ihn in meinem ganzen Leben noch nie gesehen«, antwortete sie.
Frank schaute aus dem Fenster, als Clive ihn nach Hause fuhr. Er folgte der Route des 380er Busses, die von der High Street bis Belmarsh Prison führte. Sobald sie den Verkehr hinter sich hatten, würden sie gemütlich den Lewisham Hill hinauffahren und nach Osten, Richtung Wat Tyler Road und Blackheath, abbiegen. Auf der anderen Seite hinunter durch eine weite grüne Fläche, die von allein stehenden Häusern umgeben war; riesigen drei- oder vierstöckigen Palästen, die nicht in Wohnungen aufgeteilt waren. Doch jetzt war der Blick verbaut von Müllsäcken, die vor den Eingängen standen, und Namen auf den Türschildern, die er kaum aussprechen konnte. Als junger Kerl hatte er sich in diesen Straßen herumgetrieben. Vor dreißig Jahren oder so hatte er hier Geschäfte gemacht, aber jetzt erkannte er die Gegend kaum wieder.
»Das sieht aus wie in Osteuropa«, sagte er zu Clive. »Tut einem innerlich weh.«
Er wusste nicht, ob es an den Einwanderern lag, den Drogen oder den Waffen, die so leicht von Hand zu Hand wechselten wie Fußballsammelbilder. Er hatte keine Antwort darauf. Den einen oder anderen Irren gab es immer, schon damals, aber, mein Gott, wenn man abgestochen wurde, weil man die Schuhe seines Gegenübers schief angesehen hatte, dann musste etwas getan werden, so viel war Frank klar. Und
vielleicht waren Leute wie er dazu besser in der Lage als Polizisten oder Politiker.
Frank konnte nicht sagen, ob Helen ihn angelogen hatte oder nicht. Und wie die Dinge standen, war es auch nicht wirklich wichtig. Er hatte das Richtige getan, als er ihr den einen verriet. Wenigstens etwas, das er für Paul tun konnte. Und vielleicht ging es ihr dadurch ein bisschen besser, nach allem, was sie insgeheim befürchtet hatte. Außerdem war sie in der richtigen Position, um es ordentlich über die Bühne zu bringen. Selbst wenn sie die fragliche Person nicht kannte, hatte sie die richtigen Kontakte, um herauszufinden, wer es war. Das würde Frank wahrscheinlich auch herausfinden, aber es war befriedigender, es Helen zu überlassen. Seit Clive ihm von dem Gespräch in der Wohnung erzählt hatte, seit ihm klar geworden war, wie das mit Jacky Snooks Geschichte zusammenhing, hatte er über die beste Lösung nachgedacht.
Auf kurze Sicht war es vielleicht frustrierend, das auf dem Rechtsweg regeln zu lassen. Aber auf lange Sicht würde es sich auszahlen. Ein Bulle hatte es im Knast immer schwerer. Wer immer es war, er würde für das, was er Paul angetan hatte, hundertmal zahlen, jeden Tag aufs Neue.
Direkte Rache war oft eine große Genugtuung, fand Frank, aber manchmal war es besser, Rache kalt zu genießen.
Er fragte sich, ob Helen Weeks ihm ihre Kollegen auf den Hals schicken würde, wenn sie das Baby bekommen hatte und sich die Dinge beruhigten. Alles in allem fühlte er sich sicher. Er hatte sich aus allem rausgehalten, aber wahrscheinlich musste er mit dem einen oder anderen Ärger rechnen. Sie wusste Bescheid über die Sache mit den Snookerspielern, den Graffitijungs. Nach
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