Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Paul?«
Paul hob die Tüte. »Ich hab bei dem Fischhändler in Greenwich gehalten, den du so gern magst.«
Der Mann nickte erfreut und bat Clive, ihm einen Lumpen herüberzuwerfen. Ein paar schäbige Stühle neben einem Tapeziertisch, über den eine Plastikdecke gebreitet war. Er wischte mit dem Lumpen den Staub weg, bevor er sich setzte. Paul zog ein französisches Weißbrot aus seiner Tüte, frische, in Zeitungspapier gewickelte Garnelen und große Becher mit Muscheln und Schnecken. Er schickte Clive über die Straße, um Pfeffer, Essig und was man sonst noch brauchte, zu holen, und lachte, als er die Smoothies sah, die Paul aus der Tüte zog: »›Innocent‹ – unschuldig? Willst du mich verarschen?«
Sie aßen mit den Fingern. Die Schalen schnippten sie auf den Tisch, und die Garnelen tunkten sie in Mayonnaise. Paul hörte zu, als sein Gastgeber ihm erzählte, was es Neues gab.
»Es geht momentan darum, Kneipen wie diese wieder so herzurichten, wie sie waren. Soweit sich das machen lässt. Messingreling entlang der Theke, Lampen im viktorianischen Stil – in der Richtung. Hinten ein netter italienischer Biergarten.«
»Ein altmodisches Pub mit einem italienischen Biergarten?«
Der Mann ignorierte ihn. »Diese Kneipen wurden kaputt gemacht, als die Restaurantketten sie aufkauften. Wenn du mich fragst, haben die Leute diesen Lärm und dieses grässliche Essen satt und auch, dass immer alles dasselbe ist. Wichserkneipen mit belgischem Bier und Paddy MacFuckerty’s
Themenpubs und die ganze Scheiße.« Er leckte seine Fingerspitzen ab und breitete die Arme aus. » Das hier wird praktisch so gut wie ein altes Pub. Eine Stammkneipe. Ich hab dir am Telefon gesagt, ich würde was renovieren. Aber hier geht es nicht nur ums Renovieren und Lampen und solche Details. Es geht darum, Flagge zu zeigen. Etwas von dem alten … wie nennt man es?«
»Gemeinschaftsgeist?«
Er deutete mit dem Finger auf ihn. »Exakt. Außerdem bringt es anständig Kohle, um die Wahrheit zu sagen. Eine Handvoll solcher Kneipen, ein, zwei Monate renovieren und zurück an die Brauerei verhökern. Da kann nichts schiefgehen.«
»Machst du noch die Wohnungen? Hattest du nicht einen Vertrag, den Block in Deptford zu renovieren?«
»Ja doch, so viel war noch nie los.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah sich um. »Musste noch ein paar Elektriker, Schreiner und Maler einstellen.«
»Und … die anderen Geschäfte?«
Der Mann rieb sich die Hände an der Jeans ab. »Mensch, Paul, seit wann reden wir darüber?«
»War nur eine Frage, Kumpel.«
Der Mann griff nach seinem Smoothie und hielt ihn an sein Gesicht, mit dem Etikett Richtung Paul. Er grinste. »Solange die Schuld nicht bewiesen ist, Paul. Du kennst das.«
Paul wischte die Schalen und Überreste der Garnelen in eine Plastiktüte und steckte die leeren Plastikflaschen dazu. »Du hast gesagt, du denkst darüber nach«, sagte er. »Worum ich dich gebeten habe.«
»Hab ich getan.«
»Und was kannst du mir geben?«
Clive hing hinten an der Theke herum. Man bat ihn, den Abfall wegzubringen und sich eine Arbeit zu suchen.
»Das wird dir nicht gefallen, Paul.«
»Was ist das Problem? Ich dachte, es würde dir nichts ausmachen, ein paar Namen rauszurücken. Du liebst diese Mistkerle ja nicht gerade.«
»Das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern mit Ehre.«
»Ist das dein Ernst?«
»Du bittest mich, Leute zu verpfeifen.« Er hob die Hand, als Paul protestieren wollte. »Darauf läuft’s letztlich hinaus.«
»Es ist ein Gefallen«, sagte Paul.
»So funktioniert das nicht zwischen uns.« Die Frage stand ihm ins Gesicht geschrieben, noch bevor er sie formulierte: »Oder etwa doch?«
Paul setzte sich zurück und strich die Plastikdecke glatt. Er holte tief Luft. »Und was Kleineres? Ein paar kleine Tipps und Hinweise?«
»Gilt genauso.«
»Ich muss meinen Chefs irgendwas liefern, Mann, damit sie das Gefühl haben, ich arbeite noch.«
»Bei diesen Deals gibt es keine Abstufungen.«
»Okay, ich habe verstanden.«
»Man kann nicht ein bisschen verpfeifen, genauso wenig, wie man ein bisschen schwanger sein kann. Ein Arsch, ja, ein bisschen ein Arsch kann man sein.« Er wartete, bis Paul aufsah. »Tut mir leid, aber so ist es nun mal.«
Paul nickte, aber er hörte nicht mehr zu. Ihm war klar, er bekam nicht, was er wollte. Und plötzlich dachte er an Helen, wo sie heute wohl war.
Die Tür zur Straße sprang auf, und ein Kid marschierte herein, um die sechzehn und
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