Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
alles beim Essen, okay?«
Kelly nickte zufrieden.
»Ist nichts allzu Dramatisches.«
So gewann Paul ein paar Stunden, um sich etwas einfallen zu lassen. Ein vermasselter alter Fall, der ihm nun Schwierigkeiten machte; irgendein Gemurkse, aus dem er einigermaßen heil herauszukommen versuchte; vielleicht ein paar persönliche Probleme, mit denen er sich herumschlug.
Kelly war ein guter Freund, und das bedeutete, man konnte ihn problemlos verscheißern.
»Wie geht’s der Dame des Hauses?«
»Gut«, sagte Paul und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. »Sie ist dick, aber es geht ihr gut.«
»Bist du noch aufgeregt oder hast du schon die ›Ich mach mir in die Hose‹-Phase erreicht?« Kelly hatte zwei Kinder und eine Frau, die gerade wieder schwanger geworden war. »Im Ernst, mein Freund, das ist harte Arbeit, aber du wirst begeistert sein. Versprochen.«
Ein guter Freund, aber es gab einiges, was Paul ihm nicht erzählt hatte.
»Übrigens hätte ich noch gerne fünfzehn Pfund von dir.«
»Wofür das denn?«
Kelly streckte die Hand aus. »Es gibt ein Abschiedsfest für Bob Barker, Freitag in einer Woche.«
Paul kramte in seiner Brieftasche nach den Scheinen. »Und wo?«
»Steht noch nicht fest.« Kelly steckte das Geld ein. »Wär praktischer, wenn’s hier wär, aber ein paar von den Kerlen von der Flying Squad, mit denen er früher arbeitete, hätten es lieber auf der anderen Seite der Themse. Ich sag dir Bescheid.«
Paul sah an ihm vorbei. Detective Inspector Martin Bescott kam auf ihn zu, tat überrascht und deutete auf ihn.
»Oh, der möchte mit dir reden«, sagte Kelly.
Der DI war sicher ein härterer Brocken als Kelly, aber auch damit würde er fertig werden. Er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und grinste. »Eine Entschuldigung von meiner Mum bringt wahrscheinlich auch nichts, oder?« Fünfzehn Kröten ärmer und jetzt auch noch zehn harte Minuten mit dem Chef vor sich. Dennoch, es hätte heute schlimmer kommen können.
Nicht mit dem, was Kevin Shepherd ihm anbot.
Shepherd hatte vor ein paar Tagen angerufen und nur Blödsinn geredet, als wären sie alte Freunde oder so; hatte
ihn in ein neues italienisches Restaurant zum Essen eingeladen, einen Laden, »wo sie wissen, wie man Kartoffeln macht« und wo es keine »Scheiß-französischen Soßen« gab. So lief es meistens: ein Essen, ein paar Flaschen ordentlicher Wein, vielleicht ein Tag auf der Rennbahn oder ein Abend in einem Club oder einem Casino, und immer zahlten sie. »Nein, nein, lass das Geld mal stecken, Kumpel … sei nicht albern, Kumpel, das geht auf mich.« Nichts wechselte den Besitzer. Nicht am Anfang.
Es wurde nur geklärt, wie es laufen sollte.
Das Taxi holte ihn am gleichen Ort ab wie das letzte Mal. Ray, dieselbe Plaudertasche wie das letzte Mal, gab wieder auf dem ganzen Weg bis nach Shoreditch Marcel Marceau. Und er durchbohrte Paul mit einem gehässigen Blick, als sich dieser beim Aussteigen für die nette Unterhaltung bedankte.
Shepherd wartete am Ecktisch auf ihn. Er tippte gerade eine SMS und war ansonsten mit einem großen Glas Irgendwas beschäftigt. Sehr gelassen oder sehr geschickt darin, den Gelassenen zu geben. »Das wird dir gefallen, Paul.« Er reichte ihm die Speisekarte und schenkte sich Wein nach. »Ich wusste sofort, als wir uns kennenlernten, dass du einen Sinn für solche Restaurants hast. Andererseits schmeckt uns auch ein Spiegelei mit Pommes in einer Imbissbude, wenn jemand anders blecht, oder? Liegt in der menschlichen Natur.«
Paul genoss das Waldpilzrisotto und die Linguine mit Muscheln. Shepherd beschwerte sich, seine Pasta wäre nicht al dente, und lächelte den Kellner traurig an, um Paul zuzuzwinkern, als sogleich sein Teller mitgenommen wurde. Er reagierte entsprechend erfreut, als eine neue Portion gebracht wurde und Kaffee und Tiramisu aufs Haus gingen. Paul versuchte möglichst beeindruckt zu wirken, während er insgeheim dachte, dass Shepherd noch blöder war, als er geglaubt hatte.
Sie sprachen über Shep herds Haus im Languedoc und das
umgebaute Lagerhaus in den Docklands; die Autos, die er fuhr, und die, die er als Geldanlage hütete. Shepherd versuchte, Paul auszuhorchen, etwas über ihn zu erfahren, wogegen Paul nichts einzuwenden hatte.
Er erzählte ihm von seiner Wohnung in Tulse Hill, von seiner Freundin und dem Baby, das in ein paar Wochen kommen sollte. Shepherd schien sich wirklich zu freuen und hob das Glas. Scherzte, dass sich nun alles ändern würde, die
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