Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
viel bedeutet wie: Ich liebe dich, bis später. Und er bildete sich alles andere nur ein.
Er hatte keine Ahnung.
Sein Kopf war der reinste Wackelpudding. Er nickte im
Rhythmus zu der Musik aus dem Lautsprecher über ihm, Salsa oder so was, und versuchte, dabei ruhig zu bleiben und sich vorzustellen, wie die nächsten Stunden ablaufen würden. Er drückte seine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und malte sich aus, wie er sein Handy herauszog und wählte.
Und dann zu Easy sagte, es sei alles gut so, wie es sei. Er wolle härter arbeiten und länger, brauche aber keine fremde Hilfe, um weiterzukommen.
Er öffnete die Augen, als er eine Sirene hörte, und schaute durch das beschlagene Fenster nach draußen auf die Scheinwerfer. Er konnte das Auto nicht richtig erkennen und brauchte einen Moment, bis er merkte, dass das Easy war, der ihn wie ein Idiot von der Rückbank angrinste. Mikey und SnapZ saßen neben ihm. Wave saß hinter dem Lenkrad und tätschelte den Beifahrersitz, bevor er kurz etwas zu den Jungs hinten sagte.
Etwas, worüber sie lachten.
Theo nickte und stand auf, nahm noch einen Schluck aus der Wasserflasche. Auf dem Weg nach draußen steckte er eine Handvoll Servietten ein. Er schwitzte schon jetzt.
Kalte Luft schlug ihm entgegen, als er mit Kelly auf die Straße torkelte. Er atmete tief durch, blies die Backen auf und blinzelte.
»Gut«, sagte Kelly. »Suchen wir uns einen Club, oder was?«
Paul warf einen Blick auf die Uhr. »Machst du Witze?«
Kelly deutete mit dem Kinn auf die Straßenseite gegenüber. Verklebte Fenster und ein schummriges Neonschild, dessen Aufschrift nur mit Mühe als »MASSAGE« zu entziffern war. »Wir könnten rübergehen. Ein bisschen entspannen.«
»Ich will nur noch schlafen«, sagte Paul.
Sie schauten eine halbe Minute schweigend dem Verkehr
zu. Ein ordentlicher Wind blies, und Kelly hatte Mühe, sich eine Zigarette anzuzünden. Er trat in einen Hauseingang, um genug Schutz zu haben.
»Wo kriegen wir ein Taxi her?«, fragte Paul.
»Da brauchst du Glück.« Sie sahen ein paar Autos zu, die vorbeifuhren. »Vielleicht eines oben an der Hauptstraße. Al Jazeera Minicabs, du weißt schon …«
Paul hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Er schloss kurz die Augen und wartete, bis es vorbei war. »Scheiße …«
»Machen wir bei mir noch einen drauf«, sagte Kelly.
Paul verzog das Gesicht. »Hast du die Schnauze voll, Kumpel?«
»Träum weiter.«
»Bist du dir sicher, dass dir Sue keinen Strich durch die Rechnung macht?«
»Hab dir doch gesagt, dass sie weg ist. Wir können bei mir schlafen und im Café gegenüber frühstücken.«
Klang gut, fand Paul. Auf alle Fälle besser, als wenn Helen auf Zehenspitzen um ihn herumschlich. »Ich hab gesagt, ich ruf zu Hause an.«
»Ja, mach das mal besser.« Kelly warf seine Kippe weg und fing an »Under My Thumb« zu singen, während Paul in seiner Jacke nach seinem Handy kramte.
Paul sagte lautlos »Fuck off« und gab die Nummer ein. Er bekam nur Helens Mailbox und hinterließ eine Nachricht.
Kelly fing an loszulaufen, mit ausgestreckten Armen und singend. Paul steckte das Handy weg und folgte ihm. Er fiel in den Song mit ein, soweit er sich an den Text erinnern konnte. Und so torkelten die beiden lallend den Bürgersteig entlang Richtung Ampel wie Jagger an einem seiner schlechteren Tage.
Sport – im weitesten Sinne – rettete Helen. Zu Grahams merkwürdigen Interessen zählte nämlich auch eine Vorliebe für Fernsehberichte über Darts. So hatten die beiden Frauen den Großteil des Abends für sich.
Sie saßen in dem neu angebauten Teil des Wohnzimmers und sprachen über alte Zeiten. Über die Lehrer, die sie gehabt hatten, und über beinahe vergessene Klassenkameraden, kicherten und tratschten wie damals mit dreizehn Jahren. Meistens kamen sie früher oder später auf die alten Schulzeiten zu sprechen, und Helen genoss es, sich an die Tage zu erinnern, als Verantwortung so gut wie kein Thema war und sich ihre Sorgen auf Matheprüfungen und Make-up beschränkten.
Das schien eine Ewigkeit zurückzuliegen.
Erst als Katie davon sprach, eine zweite Flasche Wein aufzumachen, sah Helen auf die Uhr und war entsetzt, wie spät es war. Es war beinahe Viertel vor zwei, und sie bräuchte mindestens eine Stunde, um von Seven Sisters nach Hause zu kommen, selbst um diese Zeit.
Es war noch immer einiges los auf den Straßen, wenn die Clubs und Bars sich leerten. So was wie leere Straßen gab es in
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