Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
»Niemand stellt hier Fragen.«
Mikey rief aus dem Zimmer nebenan: »Krieg ich auch was ab?«
Easy gab den Joint an Theo weiter, der dankbar daran sog. Alles, was ihn entspannte, war gut. Er hatte seit drei Nächten schlecht geschlafen, und die Müdigkeit machte ihn reizbar. Er stritt ständig grundlos mit Javine, brüllte den Kleinen an, was nur blöd war und zu nur noch mehr Streitereien führte. Menschenmassen und Lärm gingen ihm auf die Nerven. Er hatte Probleme, sich zu konzentrieren, über das Geschäft nachzudenken.
»Also wegen der Knarre, ja?«
»Wave hat gesagt, das ist erledigt. Er hat sie gefunden, er hat sie verloren, mehr ist da nicht.«
Sie wussten beide, dass Wave Cousins hatte, zwölf-, dreizehnjährige Jungs, und wer bis drei zählen konnte, dem war klar, dass er bei ihnen Waffen versteckte. Das war nicht unüblich. Bei Kids … wirklichen Kids, suchten sie nicht nach Waffen. Und falls sie suchten, hatten diese nicht mit einer Haftstrafe von fünf Jahren zu rechnen. Typen wie Wave waren
da, wo sie waren, weil sie jede Lücke nutzten und clever waren.
»Ich möchte nicht, dass ein Zehnjähriger dieses Ding für eine Tüte Süßigkeiten rumreicht«, sagte Theo. »Mehr sag ich nicht.«
Easy lachte und schnappte sich wieder den Joint. »Die Knarre ist verschwunden, T, hab ich dir doch gesagt. Du musst mir in der Sache vertrauen, ja?«
Theo starrte ihn an. Das war noch so was, was sich seit der Fahrt nach Hackney verändert hatte. Er hatte nicht vergessen, wie sich Easy dabei ihm gegenüber verhalten hatte. Diese Blicke und das Gelächter von der Rückbank, das Gewitzel mit Wave und SnapZ, die Sticheleien und abfälligen Bemerkungen. Er war hart gewesen und fies. Theo hatte ihn schon so erlebt, anderen gegenüber, wenn es nicht anders ging. Er wusste, dass Easy ekelhaft sein konnte. Aber ihm gegenüber hatte er sich noch nie so verhalten.
Er hatte ihn deshalb zur Rede gestellt, sobald sie zurück waren. Easy und die anderen waren high gewesen, während Theo nur darauf gewartet hatte, dass das Adrenalin abebbte. Für ihn war diese Nacht wie eine Achterbahnfahrt, von der er nicht wegkam.
Easy hatte gelacht und gemeint: »Ist nur blödes Gequatsche, Alter. Wir versuchen doch nur, dich auf Touren zu bringen, kapiert? Du bist und bleibst mein Star Boy, T.«
Jetzt musterte ihn Easy über den Tisch hinweg durch eine Rauchwolke. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, so langsam, wie ein Stinktier sich an die Arbeit macht. »Es gibt da was, wofür ich dich brauche«, sagte er.
»Was?«
»Kleine Runde Spendensammeln, nichts Großes.«
Theo breitete die Arme aus. »Muss mich jetzt darum kümmern, Alter.«
»Das ist geritzt.«
Theo nahm sich, was von dem Joint noch da war.
»Wave bekommt von allem seinen Anteil, der ist zufrieden«, sagte Easy. »SnapZ kümmert sich eine Weile ums Geschäft, und du kommst mit mir. Nächste Woche kaufst du dir drei von diesen fetten Ketten, verstehst du?«
»Worum geht’s denn?«
Jetzt war es da, das breite Killergrinsen. »Die Sache ist sehr nett und sehr simpel, alles cool.« Er streckte die Hand nach Theo aus. »Und alles, was ich brauche, ist ein Junge wie du mit einem freundlichen, unschuldigen Gesicht.«
Theo lehnte sich zurück und ließ seinen Stuhl auf zwei Beinen balancieren. Das hörte sich nach gequirlter Scheiße an. Und selbst wenn nicht, dann war ihm nur das unschuldige Gesicht geblieben.
»Wegen der Details ruf ich dich noch an«, sagte Easy.
Sie drehten sich um, als jemand gegen die Tür hämmerte, und sahen, wie Mikey aufsprang. Ein leises Gespräch an der Gegensprechanlage, und ein paar Sekunden später kam SnapZ in die Küche, nickte und grinste und warf den Standard auf den Tisch.
Theo las die Schlagzeile, ihm wurde speiübel.
SnapZ hielt es nicht für nötig, die Kopfhörer abzunehmen. Der Beat hörte sich an, als schwirre eine wütende Wespe durch die Küche. Er trommelte mit den Zeigefingern auf die Zeitung und deutete dann mit beiden auf Theo. »Jetzt bist du einer von den Playern , T«, sagte er. »Ein großer Gangsta, Alter.« Er nahm den Stummel, der von dem Joint übrig war, aus Theos Mund, zog daran und stieß den Rauch aus. Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Zeitung, und lauter als nötig meinte er: »Jetzt bist du ein Bullenkiller …«
14
Frank Linnell versuchte, so oft es ging, mittags zu Hause zu essen. Er freute sich auf ein, zwei Stunden Pause und die Gelegenheit, sich etwas zu entspannen. Inzwischen
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