Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
mir sicher, die tun, was sie können«, sagte Jenny.
Helen studierte die Speisekarte und entschied sich für eine American Hot mit einer Extraportion Jalapeños und einem weich gekochten Ei. Dann fielen ihr die Salmonellen ein, und sie bezweifelte, ob das wirklich so eine gute Idee war.
Es war tatsächlich etwas einfacher, über die Ermittlung nachzudenken, als darüber, welchen Sarg sie für Paul auswählen sollte. Allerdings nicht viel einfacher. Es gab kaum
Fortschritte, daher konnte sie ohnehin nicht viel berichten. Und Jenny hatte kaum Ahnung von Polizeiarbeit, was die Sache erschwerte.
Diesmal fiel es Helen noch mehr auf, wie wenig sich ihre Schwester für ihre Arbeit interessierte. Wahrscheinlich fand Jenny das, was sie tat, irgendwie ekelhaft. Als ob die elenden Geschichten von Missbrauch und gestörten Beziehungen ihre eigene perfekte Familie beschmutzen könnten, das Bild, das sie von sich und ihrer Familie im Kopf hatte.
»Geht es dir gut?«, fragte Jenny.
Nicht dass es Helen fremd gewesen wäre, Dinge zu verleugnen oder zu verdrängen. Sie zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht, das sedierte weiße Kaninchen, mit dem sie sich seit ein paar Tagen über die Runden rettete. »Geht so.«
»Und das Baby?«
»Das ist fertig gebacken, nehme ich an.« Helen tätschelte sich den Bauch. »Ein wahres Gottesgeschenk. Es grübelt sich schlechter, wenn einem ständig übel ist oder man dauernd pinkeln muss.« Aus dem Tätscheln war ein sanftes Reiben geworden. »Außerdem muss man noch an jemand anders denken, verstehst du?«
»Das ist vielleicht nicht gerade der beste Zeitpunkt, aber ich wollte dich fragen, ob du schon darüber nachgedacht hast, ob du jemanden bei der Geburt dabeihaben willst.« Jenny spielte mit ihrer Serviette. »Ich meine, jetzt kann ja offensichtlich …«
»Es gibt im Moment genug anderes zu regeln, verstehst du?«
»Ich weiß, aber es kann jeden Augenblick losgehen, Hel.«
»Eine scharfe Pizza könnte schon reichen.«
»Ich meine es ernst. Ich hab gedacht … du weißt schon, wegen dem Schock.«
»Ein paarmal dachte ich bereits, es geht los«, sagte Helen. Sie erinnerte sich an die Panik, die dieses Gefühl der Betäubtheit
überlagerte, als sie in den frühen Morgenstunden nach dem Telefonanruf zu Hause saß und auf Jenny wartete, die sie ins Leichenschauhaus fahren wollte. »Auf alle Fälle habe ich eine gute Geschichte für das Baby.«
»Du musst dir darüber Gedanken machen.«
Helen versprach Jenny, dass sie das tun wolle, und machte der Bedienung ein Zeichen. »Glaubst du, ich kann Tim fragen, ob er vorbeischauen will, um sich Pauls Klamotten durchzusehen?«
Jenny griff nach dem Glas Sprudel.
»Bevor ich alles rauswerfe.« Jennys Mann war ein gutes Stück kräftiger als Paul, aber Helen vermutete, dass ihm eine Menge von den Hemden und Jacken passen könnte.
»Okay …«
Helen entging nicht, dass Jenny verwirrt und verlegen war. »Paul hatte ein paar nette Sachen, ob du’s glaubst oder nicht«, sagte sie. »Ich weiß, meistens kam er verlottert daher …« Sie verstummte, als die Bedienung die Bestellung aufnehmen wollte und sie die Erleichterung auf dem Gesicht ihrer Schwester sah.
Sie bestellten, und Helen kehrte zu dem vorherigen Thema zurück, dem Unterschied zwischen Mord und Totschlag.
Frank saß am Küchentisch und aß, während Laura am Küchenblock lehnte und langsam an ihrem Knäckebrot und dem Käse knabberte. Nach ein paar Minuten fragte sie ihn, was los sei, und er ging ins Büro, um die Zeitung zu holen.
Er legte sie vor sie hin und deutete auf die Schlagzeile. »Das ist Paul«, sagte er. »Paul.«
Sie überflog die Titelseite. »Mein Gott, Frank, das tut mir leid.«
Er setzte sich zurück an den Tisch, griff nach der Gabel und sah ihr dabei zu, wie sie den Artikel las. Genauer gesagt
war sie seine Halbschwester, aber dieser Unterschied hatte Frank nie interessiert. Sie standen sich seit Jahren sehr nahe, aber noch nie war ihre Beziehung so eng gewesen wie jetzt, da sie nicht mehr Teil des Lebens ihrer Mutter war und niemand wusste, ob ihr gemeinsamer Vater tot war oder noch lebte.
Laura war das Einzige an Familie, das Frank geblieben war, und das er wohl je haben würde, aber sie reichte ihm. Sie war dreiundzwanzig, dreißig Jahre jünger als er und … zart . Bei ihr musste er immer an dieses Wort denken. Sie war wunderschön, das sah man, und viel klüger als er – musste sie wohl von ihrer Mutter haben -, aber definitiv ein wenig
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