Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Er frühstückte jetzt allein in einem Imbiss, las die Zeitungen und dachte gequirlte Scheiße – zum Beispiel, wie es für Benjamin wäre, ohne Vater aufzuwachsen.
Und wie es wäre, darüber im Gefängnis nachzudenken.
Täglich zwanzig Zigaretten von dem Zeitungshändler zwei Türen weiter, dazu ein dicker Stapel Zeitungen und dieser Blick von dem Zeitungshändler, der Höhepunkt des Tages. Der Alte sagte nie was, nannte nur den Preis. Aber man sah ihm an, dass er das seltsam fand. Jungs wie Theo lasen normalerweise keine Zeitung, geschweige denn ein halbes Dutzend, und schon gar nicht die großformatigen ohne nackten Busen auf dem Deckblatt. Er grinste, wenn er das Geld nahm, als halte er das für eine gute Sache. Vielleicht freute er sich auch nur über das Geld.
Im Café biss Theo in das Sandwich und überflog zuerst die Titelseiten, so wie jeden Morgen, seit es passiert war.
Die Polizei stellte fünfzig weitere Polizisten für die Jagd nach dem »Scheinwerfermörder« ab.
Der Commissioner versprach, den für den Tod seines Kollegen Verantwortlichen zu finden, und forderte jeden auf, der ihn decke oder Informationen habe, sich zu melden.
Der Mörder sei skrupellos und feige und gehöre zu denen, die sich mit einer Waffe Respekt zu verschaffen suchten. Wahrscheinlich handle es sich um einen Teenager oder ein Kind. Zumindest vermuteten das die Experten der boomenden Londoner Bandenszene.
Theo sah Easy nicht hereinkommen, drehte sich aber schnell zu ihm um, als er seine Stimme hinter sich hörte.
»Willst du noch was, T? Einen Latte oder so’n Scheiß? Ein Croissant vielleicht zu deiner Morgenlektüre?«
»Passt schon«, sagte Theo.
Easy holte sich einen Tee und schnappte sich, als er zurückkam, den Daily Star vom Nebentisch. Er legte ihn vor Theo auf den Tisch und deutete auf das auf der Titelseite prangende Model im Bikini. » So fängt man den Tag an, Kumpel. Das macht dich munter und scharf auf die Kunden da draußen, verstehst du?«
Theo sammelte seine Zeitungen ein.
Easy nickte und beugte sich vor. Er senkte die Stimme, ganz der nette, ernsthafte Gesprächspartner. »Mir ist klar, was hier läuft, T, aber du hast keinen Grund, dir deshalb graue Haare wachsen zu lassen. Das schwör ich dir. Die Gang ist gut, Alter, und steht hinter dir. Hundert Prozent.«
»Aber die Polizei ist echt heiß.«
Easy schüttelte den Kopf, als interessiere ihn das nicht.
»Echt, lies das mal hier.«
» Scheiß auf die Polizei.« Easy sah sich um, als suche er nach etwas, um darauf zu spucken. »Die wissen nicht mal, wo sie anfangen sollen zu suchen. Die Bullen sind Loser. Aber hallo, T.«
Theo nickte und schob den Stapel Zeitungen zur Seite. Easy lehnte sich zurück, und da war es wieder. Das Grinsen.
Thema beendet.
»Das mit heute Abend gilt?«
»Was gilt?«
»Ich brauch noch immer ein unschuldiges Gesicht.«
»Scheiße.« Den Job, den Easy vor ein paar Tagen erwähnt hatte, hatte Theo ganz vergessen. »Ich hab in den letzten Tagen Javine und den Kleinen kaum gesehen, Mann«, sagte er. »Ich reiß mir hier den Arsch auf, weißt du das?«
Er arbeitete länger, das stimmte. Verbrachte so viel Zeit
weit weg von seiner Familie wie möglich, um denjenigen aus dem Weg zu gehen, denen er am Herzen lag.
Easy ließ das kalt. »Du musst das tun, Alter. Das fehlt gerade noch, hier rumsitzen und dir wegen dieser Sache einen Kopf machen. Außerdem ist das der Grund, warum du dieser Kuh ins Auto geschossen hast, damit du an die Art von Job kommst, richtig?«
Der Grund …
Es ging um Geld, vermutete Theo, oder Respekt, wie die großformatigen Zeitungen schrieben. Wenn er andererseits an den Moment zurückdachte, in dem er abgedrückt hatte, dann kam es ihm vor, als habe er es hauptsächlich nur deshalb getan, weil Easy und die anderen rumbrüllten und sich über ihn lustig machten. Er erklärte Easy, die Frage sei bescheuert, weil er ja gar nicht wisse, was sie heute Abend vorhätten.
»Das wird ein Kinderspiel«, sagte Easy. »Versprochen.« Er stand auf, steckte den Star ein und versprach, Theo später wegen der Details anzurufen.
Theo aß sein Sandwich und ging dann hinaus, um eine zu rauchen. Er nahm eine Zeitung mit und stand auf dem Bürgersteig, vor sich das Foto von Paul Hopwood. Vierunddreißig Jahre alt, mit einer schwangeren Freundin. Sah zu, wie der weiche Aschewurm auf die Zeitung fiel, und schüttelte ihn ab.
Noch mehr gequirlte Scheiße.
Die gesamte Abfolge der Gedanken und Ideen, die ihm durch
Weitere Kostenlose Bücher