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Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten

Titel: Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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gleichmäßig zwischen ihnen verteilt waren.
    Heute bummelte sie stundenlang durch die Läden, strich über die Babykleidung und nahm die winzigen Schuhe in die Hände. Sie wollte einfach eine Weile nur an das Baby denken. An sich und das Baby.
    Um fünf Uhr, als sie wieder am Tulse Hill war, fühlte sie sich wie nach einem Marathon. Sie hörte sich die üblichen Verdächtigen auf ihrem Anrufbeantworter an: ihr Dad und Jenny; wieder ein Anruf von Roger Deering; Pauls Mutter, die ihr sagte, sie wisse, dass wegen des Beerdigungstermins noch keine Entscheidung gefallen sei, aber dass sie wirklich gerne über die Musik während des Gottesdienstes mit ihr reden würde. Zwei weitere Anrufer hatten keine Nachricht hinterlassen.
    Helen legte sich aufs Sofa und überlegte, wen sie als Erstes zurückrufen wollte. Als sie drei Stunden später die Augen aufschlug, war das Zimmer dunkel. Ihr erster Gedanke galt Paul, der in Ray Jacksons Taxi an einen Ort gefahren war, an den er besser nicht gefahren wäre. Sie dachte an das Blut auf der Matte und das Blut auf dem Bürgersteig.
    Und sie schämte sich.
    Es war eine Woche her, noch nicht mal eine Woche, und schon begann er zu verblassen – zumindest der Paul, den sie zu kennen glaubte . Und das hatte nichts damit zu tun, dass ihr Gedächtnis sie trog oder ihre Wahrnehmung durch ihren Kummer getrübt war. Das war ihre eigene Schuld. Sie hatte
sich alles durch ihre blöde Neugier vermasselt. Zu ihrem eigenen Schaden.
    Wäre es nicht besser, sie würde damit aufhören und alles vergessen, was sie herausgefunden hatte? Schließlich waren das alles bislang nur Verdachtsmomente, die sich gegen Paul richteten, sicher wusste sie gar nichts. Und spielte das alles überhaupt noch eine Rolle, jetzt, da er tot war?
    Keine schwierige Frage. Das war noch so was, worin sich Helen von ihrer Schwester unterschied: Sie konnte nie den Kopf in den Sand stecken.
    Helen schaltete das Licht ein und zog die Vorhänge zu, kochte sich eine Tasse Tee und schrieb eine Liste.
    - Bettchen zusammenbauen. Dad fragen. Zimmer streichen?
    - Musik. Kirchenlieder? Etwas Modernes. Vielleicht REM.
    - Mit Frank Linnell und Kevin Shepherd sprechen?
    Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klingelte, brauchte zweieinhalb Minuten, um an die Gegensprechanlage zu kommen. Bis dahin war, wer immer unten gestanden hatte, verschwunden.

    Ollie war schnell am Loampit Vale entlanggelaufen, dabei war ihm der Mann, der sich als Kunde ausgegeben hatte, in ein paar Metern Abstand gefolgt. Er war abgebogen, wie man ihm gesagt hatte, und entdeckte den wartenden Mercedes im Eingang zu Tesco.
    Gospel kauerte, die Knie bis zur Brust angezogen, auf dem Beifahrersitz. Ein großer schwarzer Kerl saß, hinter das Lenkrad gequetscht, neben ihr. Ollie sollte sich nach hinten zu dem älteren Mann setzen. Dann fuhren sie los und Gospel
brüllte sich den Teufel aus dem Leib, als das Auto um den Block und auf die Hauptverkehrsstraße fuhr.
    Etwa zehn Minuten ging es nur Richtung Norden.
    Als der Mercedes in die Seitenstraßen an der Themse einbog, kannte Ollie seine Mitfahrer bereits ziemlich gut. Sie parkten hinter einer Baustelle am Deptford Creek. Schicke Eigentumswohnungen, wie’s aussah. Über das Wasser leuchtete es von der Canary Wharf zu ihnen herüber, und die Spitze des Gherkin ragte links aus dem Nebel. Durch das Autofenster konnte Ollie den maroden Holzpier erkennen, der ins Wasser ragte, und eine Reihe längst verlassener Torpedoboote, die seit vielen Jahren Hausbesetzern als Unterkunft dienten. Das schmutzig grüne Wasser war nirgends so tief wie hier. Die einzige Stelle im Fluss, an der große Flugzeugträger wenden konnten – er hatte das mal im Fernsehen gesehen -, und wahrscheinlich war dies hier auch die sicherste Stelle, um etwas für immer verschwinden zu lassen.
    Inzwischen hatte der Kerl hinten neben Ollie eine Knarre auf dem Knie liegen, aber das Sagen hatte ganz klar der Riese vorn bei Gospel.
    »Die Sache ist nicht kompliziert«, erklärte er. »Wir brauchen nur eine Bestätigung, mehr nicht.«
    Gospel spuckte dem Riesen auf die Brust und riss den Kopf herum, zu Ollie. »Halt bloß die Fresse.« Als sie sich wieder umdrehte, schlug ihr der Riese ins Gesicht, und das kräftig. Dann schaute er auf den Speichel auf seinem Hemd.
    Es dauerte ein, zwei Sekunden, bevor das Mädchen stöhnte und spuckte, bevor sie sich die Hände vor den Mund hielt, um das Blut aufzufangen.
    »Das dauert keine Minute«, sagte der Riese zu Ollie.

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