Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
»Gute Arbeit, Kodak. Ich denke, das könnte einer der seltenen Fälle sein, in denen Sie sich Ihr Geld tatsächlich verdient haben.«
»Da wir gerade davon sprechen …«
»Tut mir leid, aber ich habe nichts Bares bei mir. Ich dachte mir, ich spende einfach was an eine passende Wohltätigkeitsorganisation.«
»Was?«
»Für Blinde, vielleicht?«
»Sehr witzig, Mr Thorne.«
Thorne griff in seine Jackentasche und nahm die vier Fünfzigpfundscheine heraus, die er zuvor der Informanten-Kasse entnommen hatte. Heutzutage verwendeten nur noch sture alte Säcke das Wort »Spitzel«. Offiziell wurden Dennis Bethell und Konsorten als »verdeckte menschliche Informationsquellen« bezeichnet, ein Paradebeispiel für Behördensprache, wenngleich Kodak nichts auch nur annähernd Verdecktes an sich hatte. Außerdem fungierte er in diesem Fall eher als Sachverständiger. Nicht dass Thorne oder irgendjemand anderer es jemals in Betracht gezogen hätte, ihn in den Zeugenstand zu rufen. Selbst wenn Bethell seine äußere Erscheinung verändern würde und sein Beruf unerwähnt bliebe, wäre jegliche Glaubwürdigkeit sofort dahin, sobald er den Mund aufmachte.
»Wer ist der Typ auf den Fotos überhaupt?«, quiekte Bethell.
»Ein Geist«, sagte Thorne.
Er dankte Bethell abermals, und dieser erwiderte den Dank, erinnerte Thorne daran, dass er immer für Aufgaben dieser Art zur Verfügung stehe, und überreichte ihm eine Handvoll Visitenkarten. »Verteilen Sie die bei Gelegenheit an Ihre Kollegen«, sagte er. »Ich stehe jederzeit für Sachen wie die hier zur Verfügung, aber ich kann ihnen auch alles andere Material besorgen, das sie benötigen.«
Thorne steckte die Visitenkarten ein und fragte sich, ob Yvonne Kitson wohl Bedarf an einer »Knackiger Klempner vernascht notgeile Hausfrau«- DVD hatte. Kuscheln inklusive.
»Ich bin äußerst diskret.«
»Sie könnten nicht mal dann diskret sein, wenn Ihr Leben davon abhinge«, sagte Thorne.
Er entfernte sich, blieb am Fuß der Treppe stehen und winkte den schäbigen Buchhalter zu sich her. Der Mann wirkte nervös, konnte der Einladung aber nicht widerstehen. Thorne zog ihn nah heran, dann blickte er sich um und vergewisserte sich, dass die Luft rein war, bevor er provokativ eines der Fotos von dem Boot aus dem Umschlag zog.
»Sehen Sie sich nur mal diesen Mast an!«, sagte er.
Freitagabend, und die Hauptrouten, die aus dem West End hinausführten, waren erwartungsgemäß verstopft. Als Thorne auf der Regent Street im Verkehr feststeckte, rief er Brigstocke an und berichtete ihm von seinem Treffen mit Bethell. Er nannte ihm die Registrierungsnummer des Boots, und Brigstocke versprach, sich sofort darum zu kümmern.
»Ich würde allerdings nicht darauf bauen, dass dort vor Montag jemand zu erreichen ist, selbst wenn es ein britisches Boot war«, sagte der Detective Chief Inspector. »Und wir haben es hier mit Spaniern zu tun, mein Freund. Mañana, mañana und so weiter …«
Thorne sagte ihm, dass er ein Rassist sei und dass er ihm Bescheid geben solle, sobald er irgendetwas erfuhr.
Der BMW bewegte sich ein kleines Stück vorwärts, dann kam er wieder zum Stillstand. Thorne hatte talk SPORT eingestellt, lauschte aber nur mit halbem Ohr einer Diskussion über die Fußballbegegnungen am nächsten Tag. Seine Gedanken kreisten um Ellie Langford.
Hatte ihr Vater sie tatsächlich nach Spanien verschwinden lassen?
Thorne stellte fest, dass er so gut wie gar nichts über das vermisste Mädchen wusste. Was für ein Leben hatte Ellie vor ihrem Verschwinden geführt? Welche Pläne hatte sie gehabt? Sie war achtzehn Jahre alt. Hatte sie vorgehabt zu studieren, oder hatte sie bereits gearbeitet? Gab es einen Freund?
Thorne musste über sie Erkundigungen einziehen.
Er hatte es geschafft, die Oxford Street zu überqueren, und wartete an der Ampel beim Broadcasting House. Es hatte angefangen zu nieseln, und irgendein Experte sprach über Arsenals lückenhafte Abwehr, als Thorne einen Blick nach links warf und eine Frau in ihrem Auto weinen sah. Sie hatte ihren blauen Peugeot 405 etwa zwanzig Meter hinter dem Langham Hotel geparkt, und im ersten Moment dachte Thorne, sie würde sich vor Lachen schütteln, nachdem sie irgendetwas Witziges im Radio oder über ihre Freisprechanlage gehört hatte. Dann sah er, dass sie heftig schluchzte.
Er starrte sie an …
Nach etwa fünfzehn Sekunden überkam ihn ein ungutes Gefühl, weil er einfach dasaß und ihr beim Weinen zusah, es gelang ihm aber
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