Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
Geschäftliche zu kümmern, bevor der Abend zu Ende war. Das war der ideale Ort dafür. Ein paar Drinks, ein Handschlag, und die Sache war unter Dach und Fach. So bevorzugte er es. Das Geld und die Ware wurden dann später von anderen ausgetauscht, und er brauchte sich nicht die Hände schmutzig zu machen.
Nach diesem Muster lief es seit zehn Jahren.
Allerdings wurde es immer schwieriger, angesichts dessen, was zu Hause in Großbritannien zu erledigen war.
Candela winkte, und er winkte zurück, doch er war mit seinen Gedanken weit weg. Diese waren mit einem Mal dunkler und beunruhigender, als ihm recht war.
Wenn er seine Freiheit behalten wollte, würde es schwieriger werden, sauber zu bleiben.
Siebzehntes Kapitel
Der Verkehr auf der M25 bewegte sich. Mehr konnte man selbst an einem Samstag nicht erwarten. Thornes Beifahrerin war darauf erpicht zu plaudern – über ihre Mitbewohnerin, über den bescheuerten Freund ihrer Mitbewohnerin, über ihre ehemaligen Kollegen bei der Bank, die Überflieger gewesen waren und alles verloren hatten, als es mit der Wirtschaft den Bach hinunterging –, doch er hatte nichts dagegen, sie den Großteil der Unterhaltung bestreiten zu lassen.
Den Blick auf die Straße zu richten und über andere Dinge nachzudenken.
Es war ihm nicht gelungen, den Anblick der weinenden Frau in ihrem blauen Peugeot loszuwerden. Er fragte sich, wer sie war und was geschehen war, das ihre Welt so unerträglich gemacht hatte – zumindest für jene paar Minuten. Das ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, seit er aufgewacht war, und Louise und er hatten während eines flüchtigen Frühstücks kaum miteinander gesprochen.
»Wird’s bei dir heute spät?«
»Kommt darauf an, wie es läuft.«
»Okay. Ich habe selber eine Menge zu tun, also …«
Abgesehen davon, dass sie zwei Abende zuvor miteinander geschlafen hatten – flüchtig und unverhofft –, hatte es in den vergangenen Tagen nicht viel Nähe zwischen ihnen gegeben. In den vergangenen Wochen, um genau zu sein. Es hatte weniger Anrufe und SMS gegeben und allem Anschein nach kein echtes Bedürfnis nach Kontakt. Das Interesse hatte nachgelassen.
Wie Louise jedoch gesagt hatte, sie hatten beide viel zu tun …
Nachdem Thorne losgefahren war, um Anna abzuholen, hatte er Russell Brigstocke angerufen, um ihm zu sagen, dass er nicht ins Büro kommen werde. Um ihn über den Besuch in Kenntnis zu setzen, den er stattdessen machen wollte.
»Es gibt sowieso nicht viel, wofür es sich lohnen würde herzukommen«, hatte Brigstocke gesagt. »Wie ich mir schon gedacht hatte, was diese Boot-Sache angeht, lässt sich an einem Samstagvormittag in Madrid nichts ausrichten. Vielleicht hätte es ja geholfen, wenn ich zumindest einen verdammten Dolmetscher hätte auftreiben können.«
Thorne hatte Brigstocke versprochen, dass er sich später noch einmal melden werde, und ihm dann noch ein oder zwei Minuten beim Schimpfen zugehört.
»Wissen Sie, wie viele Albanisch-Muttersprachler es in der Kartei des Innenministeriums gibt? Oder Türkisch-Muttersprachler? Oder Urdu-Muttersprachler? Dutzende. Aber habe ich jemanden gefunden, der Spanisch spricht? Ich hätte es ja selber gemacht, aber abgesehen davon, dass ich die Namen von ein paar Barcelona-Spielern kenne und ein Bier bestellen kann, ist es mit meinen Sprachkenntnissen nicht weit her …«
Als Thorne die Ausfahrt erspähte, bei der sie abfahren mussten, betätigte er den Blinker und lenkte den BMW auf die mittlere Spur.
»Anscheinend war es also doch gar keine so schlechte Idee, bei der Bank zu kündigen«, sagte Anna. »Ich meine, wenigstens habe ich einen Job.«
»Stimmt«, sagte Thorne.
»Einige von den eingebildeten Schnöseln, mit denen ich zusammengearbeitet habe, leben jetzt von Sozialhilfe.« Sie grinste und blickte hinaus auf die Felder, die sich neben der Autobahn erstreckten. »Das heitert mich manchmal richtig auf.«
Thorne blinkte abermals und lenkte den Wagen auf die Innenspur. Anna sagte noch etwas, aber er war in Gedanken noch immer bei der Frau im blauen Peugeot, als er in die Ausfahrt bog und vor dem Kreisverkehr abbremste.
Cobham liegt zwanzig Meilen südwestlich vom Zentrum Londons im betuchten Herzen der ländlichen Gegend von Surrey und ist eine Pendlerstadt, wie sie im Buche steht. Einige der exklusiven Anwesen werden von Chelsea-Fußballern bewohnt, deren Trainingsplatz sich in der Nähe befand, doch Maggie und Julian Munro waren eher typische Anwohner. Er arbeitete in einem
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