Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
Spanien«, sagte Mullenger. Er klang vergnügt, als wären sie eine Familie, die sich nach langer Diskussion endlich auf ein Reiseziel geeinigt hatte.
»Das war von Anfang an unsere Vermutung«, erwiderte Thorne. »Auch wenn es fast ein bisschen zu offensichtlich erschien.«
»Dafür gibt es einen guten Grund.«
»Drogen?«
»So ist es«, sagte Silcox.
Mullenger deutete auf eine der Karten. »Die Südküste von Spanien.« Er bewegte den Finger ein Stück. »Die Nordküste von Afrika …«
Thorne nickte und erinnerte sich daran, was Gary Brand über herablassende Behandlung gesagt hatte. Da Mullenger jedoch recht freundlich war, biss sich Thorne auf die Zunge und fragte sich, was der Mann vom Organisierten Verbrechen wohl noch alles für erklärenswert erachtete.
Notizbuch. Stift. Wasserkrug.
»Marokko ist nur vierzig Meilen entfernt«, sagte Mullenger. Er drehte die Handflächen nach oben, als sei keine weitere Erklärung nötig, gab dann aber doch eine zum Besten. »Alles fing mit ein paar Hippies an, die mit Fischerbooten Haschisch rüberbrachten, und jetzt ist das Ganze ein Millionen-Dollar-Geschäft.«
»Milliarden«, sagte Silcox.
»Früher scheuten altmodische Schurken wie Ihr Mr Langford vor dem Drogenhandel zurück, doch das war, bevor sie entdeckten, wie viel Geld sich damit verdienen lässt. Da heutzutage fast jedes Gramm Cannabis und Kokain, das in Großbritannien ankommt, den Weg über Spanien genommen hat, ist es der perfekte Ort, um ein Drogenimperium aufzubauen. Sie benutzen die Jachthäfen als Tarnung, und die Behörden haben weder genug Personal noch Lust, sämtliche Jachten zu durchsuchen.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Spanien ist ein Paradies für Drogenschmuggler.«
»Und das liegt nicht nur an den Stränden und der Sangria«, fügte Silcox hinzu.
Thorne zog eines der Fotos von Langford zu sich her. »Schaden tun sie aber nicht, nehme ich an.«
Mullenger lachte. »Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Dann gehen Sie also davon aus, dass Langford dort dick im Geschäft ist?«
»Fast sicher«, sagte Mullenger. »Und es ist keine große Überraschung, dass er so reagiert hat, nachdem er über die Ermittlungen Bescheid weiß. So brutal , meine ich.«
»Das ist sein Stil, Dinge zu erledigen«, sagte Thorne.
»Das ist der Stil von ihnen allen , Dinge zu erledigen.«
Silcox klopfte mit einem Stift auf den Tisch. »Wie im Wilden Westen da drüben«, sagte er.
Mullenger nickte und griff nach einer Liste mit Fakten und Zahlen. »Da sind Briten, Iren, Russen, Albaner, was auch immer, die alle um eine größere Scheibe vom Kuchen kämpfen, deshalb geht es dort fast schon zu wie in einem Kriegsgebiet. Ende der Neunziger wurde eine Spezialeinheit gegründet, um die Lage in den Griff zu bekommen, und eine Zeit lang beruhigten sich die Dinge ein bisschen.«
»›Marbella Vice‹«, sagte Thorne. »Ich erinnere mich. Ich kenne ein paar Leute, die sich dorthin versetzen lassen wollten.«
»Genau, und ein oder zwei Jahre lang galt zwischen den Ortsansässigen das ungeschriebene Gesetz, dass sich alle ein bisschen zurückhalten sollten, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Sie beglichen ihre Rechnungen anderswo. Aber als die Kolumbianer anfingen, dort Drogengeld zu waschen, ging alles wieder los, und zwar so richtig, und jetzt kommt es jede zweite Woche zu einer Schießerei auf der Straße.«
» Costa del Plomo «, sagte Silcox.
Thorne sah Mullenger fragend an.
»Das ist der neue Spitzname für die Gegend«, erklärte Mullenger. »Spanisch für ›Blei‹.« Er formte die Hand zu einer Pistole. »Wegen …«
»Ich habe schon verstanden«, sagte Thorne.
Mullenger hatte den Anstand, verlegen zu wirken, doch Thorne bemerkte bei Silcox den Anflug eines hämischen Grinsens. Thorne starrte Silcox über den Tisch hinweg an, und dieser starrte mit einem unschuldigen Ausdruck in seinem teigigen Gesicht zurück.
»Wir arbeiten seit ein paar Jahren mit der Polizei in Südspanien zusammen«, sagte Mullenger. »Versuchen, ein paar von den kriminellen Netzen zu zerschlagen und so viele Flüchtlinge einzufangen wie möglich. Das ist allerdings kompliziert, da viele von den Leuten, die eigentlich auf unserer Seite sein sollten, in Wirklichkeit gar nicht auf unserer Seite sind, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Korruption an hoher Stelle?«
Silcox starrte ihn noch immer an. »An hoher Stelle, an niedriger Stelle.«
»Letztes Jahr wurden drei örtliche Bürgermeister und ein paar
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