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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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ich sehe überhaupt kein Model. Versteckst du sie vor uns?«
    Mir fiel auf, daß er sich rasiert hatte. So ordentlich sahen wir ihn nicht oft hier im Haus. Sein Haar trug er nicht zu einem Pferdeschwanz gebunden. Es war eindeutig gewaschen und glatt und glänzend gebürstet.
    »Sie hat gerade angerufen, daß sie etwas später kommt. Sie mußte erst noch zur Apotheke. Blasenentzündung.«
    Mirjam kam aus ihrem Arbeitszimmer. Sie küßte ihren Sohn und rieb mit dem Handrücken über seine Wange. »Glatt wie ein Babypopo.« Sie schob ihn etwas von sich und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »He, dein Lieblingshemd. Ich dachte, ich hätte es fürs nächste Wochenende gewaschen und gebügelt … wenn du ausgehst …«
    »Ich zieh es nachher wieder aus. Dann bleibt es sauber.«
    »Na schön, wir machen uns auf die Socken«, sagte ich. »Also, Tonio, viel Erfolg. Oder vielleicht sollte ich sagen: viel Vergnügen.«
    Ich hätte ihn dabei nicht so vielsagend ansehen sollen, denn er senkte den Blick, stöhnte leise und murmelte: »Du nervst.«
7
     
    Die Bäume in unserer Straße waren jetzt gelbgrün und die Kronen übersät mit Samenkapseln. Wir fuhren durch ein sonnengetränktes Amsterdam-Zuid nach Amstelveen.
    »Schon auffällig«, meinte Mirjam. »Beim Fotografieren legt er sich einfach auf dem Bauch in den Dreck. In Schlamm, wenn es sein muß. Und jetzt zieht er sein schönstes Hemd an.«
    »Manchmal ist ein Fotoshooting eben mehr als ein Fotoshooting.«
    Am Ufer der Bosbaan saßen wesentlich mehr Angler als beim letzten Mal, als wir hier entlanggefahren waren, und sie saßen auch nicht mehr so ängstlich halb versteckt unter ihren Schirmen, einem Mittelding zwischen auf der Seite liegendem Regenschirm und Einmannzelt. Am Ende der Bosbaan ging es richtig in den Wald – eine wirbelnde Masse frischgrüner Vegetation, zerschnippelten Sonnenlichts und durchbrochener Schatten.
    »Sieh dir den Frühling an«, sagte Mirjam.
    Auf dem Ziegenhof bestellten wir zum Mittagessen den Klassiker des Hauses: ein fast schwarzes Körnerbrötchen mit Thunfischsalat. Buttermilch von der Ziege. Mistgeschwängerte Ruhe.
    »Komische Vorstellung«, sagte Mirjam, »daß ich hier früher mit Tonio herkam, um die neugeborenen Zicklein und Ferkel anzuschauen. Jetzt jagt er seine Eltern hierher, um das Haus für sich und das Mädchen allein zu haben. Ich finde das aber schön.«
    Die Situation hatte offenbar einen verjüngenden Effekt auf uns: Nach dem Mittagsimbiß unternahmen wir einen Spaziergang, beide mit einer Tüte Softeis auf Ziegenmilchbasis in der Hand. Wir gingen zur blauen Brücke, unter der sich der Rudersee verschmälerte, um, über das Geländer gebeugt, träumerisch auf die Kanus und Tretboote hinunterzuschauen, die im übrigen zu dieser Jahreszeit erst spärlich vertreten waren.
    »Tja, unser Tonio«, sagte Mirjam. »Medientechnologie … und sofort fängt er auch wieder an zu fotografieren. Es geht ihm gut. Ich freue mich. Wenn ich zurückdenke, noch vor zwei, drei Jahren …«
    »Ich hab ihn damals vielleicht ein bißchen hart angepackt, glaube ich, mit meinem Vorwurf, er habe überhaupt keinen Ehrgeiz. Ich selbst war in dem Alter keinen Deut besser. Erst ein Jahr lang einen Job nach dem anderen, dann zwei abgebrochene Studien: Psychologie und Jura. Nach der Zwischenprüfung in Philosophie zwei halbe Abschlußarbeiten, philosophische Anthropologie und Ästhetik, zusammen leider Gottes keine ganze. Für mehr reichte mein eigener Ehrgeiz nicht.«
    »Ich habe so ein Gefühl, daß Tonio das Studium diesmal beenden wird.«
    »Und sonst macht er bestimmt was anderes Außergewöhnliches.«
    Wir spazierten zurück in Richtung Parkplatz, wo unser Auto stand. »Halb vier«, sagte Mirjam, als wir am Ziegenhof vorbeigingen. »Nein, das können wir ihm nicht antun.«
    »Oh, er fotografiert immer sehr effizient. Tonio hält nichts davon, wild drauflos zu schießen. Als er mich für De Groene Amsterdammer ablichten sollte, hat er mich hinter eine altertümliche Remington gesetzt, drum herum ein paar Telexrollen. Ich hörte es ein paarmal klicken und dachte, das sind Probeschüsse. ›Ich bin bereit‹, sagte ich. Aber er hatte schon, was er haben wollte.«
    »Du hast vorhin gesagt, ein Fotoshooting sei manchmal mehr als ein Fotoshooting. Komm, wir gehn noch was trinken auf dem Geitseplein. Gönn ihm diesen Nachmittag.«
8
     
    Als wir gegen fünf nach Hause kamen, verstaute Tonio gerade seine Kameras in einer großen Plastiktasche. Das Mädchen

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