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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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auf der Mailbox: Sie solle nicht erschrecken, wenn sie beim Nachhausekommen die Wohnzimmervorhänge aufzog. Heftig erschrocken rief sie sofort zurück.
    »Die Katzen …« Ihre gehetzte Stimme. »Hast du nachgeschaut, ob sie noch im Haus sind?« Am unverkennbaren Geräusch quietschender Pedale konnte ich hören, daß sie auf dem Fahrrad saß. »Sie könnten ja unter dem Efeu liegen … zerschmettert.«
    Vor allem Tygo kletterte gelegentlich gern auf den Goldregen und meckerte, auf gespielter Vogeljagd, ein unerreichbares Nest an.
    »Bleib dran«, sagte ich. Jetzt selbst beunruhigt, ging ich mit dem eingeschalteten Telefon die Treppen hinunter in den Hauswirtschaftsraum, unterwegs die Namen der Katzenrufend. Sie lagen in ihrem Korb. »Sie sind hier. Sie sind in Sicherheit.«
    »Oh, Gott sei Dank.« Mirjam weinte vor Erleichterung. »Ich dachte schon, wir haben sie verloren. Jetzt ist alles möglich. Ich bin sofort aufs Fahrrad gesprungen.«
    Wir werden nie wissen, ob die Katzen in dem Moment, als der Efeu ins Rutschen geriet, nicht doch im Garten gewesen waren und gerade noch rechtzeitig zur Katzenklappe hatten flüchten können.
     
    Zum Jahreswechsel 2002   /   2003 war Mirjam mit Tonio nach Lanzarote geflogen. Ich blieb zu Hause, weil natürlich wieder irgend etwas Dringendes fertig werden mußte. Mirjam hatte mir ans Herz gelegt, am Silvesterabend, bevor die große Knallerei losging, die Katzenklappe zu sperren, damit Cypri nicht vor lauter Panik in den Garten flüchten konnte – wo die Feuerwerkskörper sich zwischen den Mauern nur noch lauter anhörten.
    Doch mit dem Versperren war etwas schiefgegangen, so daß die Katze nach draußen, aber nicht mehr zurück ins Haus konnte. Am frühen Morgen heimgekehrt, fand ich sie im ganzen Haus nicht. Ich rief Mirjam an, die in ihrem Hotel auf Lanzarote mit Tonio bereits beim Frühstück saß. Mit ihrer munteren, versöhnlichen Stimme dirigierte sie mich zu den Plätzen, an denen sich Cypri in ihrer Todesnot verkrochen haben konnte. So landete ich schließlich im Garten, wo von einem Umbau kurz zuvor aller möglicher herausgerissener Kram lag. Cypri war fünfzehneinhalb und litt an Diabetes. Ich äußerte die Vermutung, sie sei unter die halbmorschen Trennwände gekrochen, um dort zu sterben. Mirjam erteilte mir mit erstickter Stimme vom anderen Ende der Welt weiterhin Ratschläge, zwischendurch unterstützt von Tonio.
    »Du mußt die ganze Zeit ihren Namen rufen«, sagte er.
    Hatten wir Tonio je erzählt, welche Rolle Cypri beim Anlauf zu seiner Zeugung gespielt hatte? Vielleicht nicht, aberer hatte sie von dem Moment an, als er sich im Babyalter auf dem Sofa aufrichtete, um die zusammengerollt neben ihm liegende Katze zu streicheln, immer als sein persönliches Haustier betrachtet. Dabei hatte Tonio das Gleichgewicht verloren, war über Cypri gefallen und hatte sich einen blutigen Kratzer eingefangen, untermalt von einem zischenden Fauchen. Der Vorfall hatte bei keinem von beiden Groll geweckt. Eher war es eine Art gegenseitigen Aufnahmerituals, denn sie wurden unzertrennlich.
    »Cypri … Cypri.«
    Endlich erhielt ich Antwort, dünn und kläglich. Der Kopf der Katze war zwischen zwei Stäben des Souterraingitters eingeklemmt. Dort hatte sie, da ihre eigene Luke verschlossen war, versucht, ins Haus zu kommen, ohne an ihre diabetesbedingte Aufgedunsenheit zu denken. Ich ließ mein Handy eingeschaltet, damit die beiden auf Lanzarote meinen Befreiungsversuch mitverfolgen konnten. Erst nachdem dieser erfolgreich beendet war, bekam ich es übers Telefon voll ab: diese Verantwortungslosigkeit und Nachlässigkeit! Tonio durfte auch noch kurz ans Telefon und verspottete mich, vor Erleichterung hicksend, wegen meiner Ungeschicklichkeit.
    »Adri, was sind deine guten Vorsätze für 2003?«
3
     
    Das Traurige am Halten von Hunden und Katzen ist, daß sie einen durchschnittlich nur etwa fünfzehn Jahre begleiten. Wer nicht ohne Haustier leben kann, wird während seines Lebens bestimmt vier-, fünfmal damit konfrontiert. Sie sind wesentlich treuer als Menschen. Wir verlieren sie folglich auch nicht wegen Untreue, sondern wegen ihrer von unserer abweichenden Lebenserwartung.
    Wenn ich mir meine Generationsgenossen so ansehe, scheint ihr Leben im Durchschnitt aus genauso vielen Beziehungen oder Ehen zu bestehen, wie verschiedene Haustiere darin auftauchen. Eine menschliche Liebe hält durch die Bank genauso lang, wie ein Hund oder eine Katze existiert – mit, nochmals, dem

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