Tonio
Unterschied, daß die Beziehung zum Haustier mit dessen Tod endet und die Ehe zu Ende ist, wenn die Liebe sich überlebt.
Eineinhalb Jahre später erlag Cypri, kurz bevor sie siebzehn wurde, dann doch ihrem Leiden. Ich arbeitete in dem Frühling in Houthem-St. Gerlach, so daß diesmal ich derjenige war, der per Handy ein Ereignis verfolgen mußte, das sich in unserem kleinen Garten abspielte: Cypris Beerdigung.
Kurz zuvor, im Mai 2004, hatte Tonio mich in Limburg aufgeregt angerufen und erzählt, »endlich passiert mal was in diesem satten, langweiligen Amsterdam-Zuid«. Auf dem Weg von der Schule nach Hause hatte er auf der Apollolaan eine kleine Menschenmenge vor rotweißen Absperrungsbändern der Polizei gesehen, hinter denen Beamte des Technischen Dienstes der Kripo auf Spurensuche waren.
»Eine Liquidation«, schrie er ins Telefon. »Sie haben Willem Endstra abgeknallt. Du weißt doch, den Bankier der Unterwelt. Einfach so, direkt beim Ignatius.«
Jetzt berichtete er mir, viel weniger aufgedreht, vom Tod seiner Katze. Sie waren mit Cypri zum Tierarzt gegangen, und der hatte ihr eine Spritze gegeben. Bevor sie den kleinen Leichnam nach Hause brachten, machten sich Mirjam und Tonio gemeinsam auf die Suche nach einem geeigneten Sarg, in dem sie Cypri begraben konnten. In der Weinhandlung De Gouden Ton kaufte Mirjam zwei Flaschen Bordeaux, »in einer kleinen Kiste, es ist nämlich ein Geschenk«. Weil sie den wahren Zweck der Verpackung nicht für sich behalten konnte, nahm der Verkäufer die Flaschen wieder heraus. Sie bekamen die Kiste samt Holzwolle gratis. »Einen guten Bordeaux kaufen Sie später wieder mal, Mevrouw.«
Weil Cypri sich sehr inkontinent durch ihre letzten Tagegeschleppt hatte, riet der Tierarzt Mutter und Sohn, die Weinkiste mit einer Mülltüte auszukleiden.
»Wir begraben Cypri neben Runner«, sagte Tonio. Runner, sein Russischer Zwerghamster, für den er vor Jahren mit seinem Gitarrenlehrer das kurze Requiem für Runner komponiert hatte.
So wurde ich, in Zuid-Limburg, telefonisch Zeuge der Beisetzung. Tonio und Mirjam berichteten abwechselnd.
»In letzter Zeit«, sagte Tonio, »hat Cypri alles unter sich gelassen … und jetzt liegt sie auf dieser Mülltüte und alles bleibt trocken.«
Der Deckel der Kiste, in die die Katze Mirjam zufolge genau paßte, wurde zugeschoben. Ich lauschte der leisen Beratung zwischen Mutter und Sohn. »Ob das Loch wohl tief genug ist … daß die Krähen sie nicht freischarren …«
4
Die beiden Norwegischen Waldkatzen, Tygo und Tasja, sie bildeten seine Nachkommenschaft … zu mehr kam es nicht. Er hatte sie ausgesucht, schon ziemlich bald nach ihrer Geburt. Tygo und seine Schwester Tasja …
Nach Cypris Tod wollte Mirjam fürs erste keine neue Katze, doch Tonio war, nachdem er im Internet Fotos der Norwegischen Waldkatzen gesehen hatte, nicht mehr zu halten. Beim Surfen stieß er auf eine Katzenzucht in Veghel, Nord-Brabant, die auf diese Rasse spezialisiert war. Im Sommer 2005, gut ein Jahr nach Cypris Tod, gelang es ihm mit seiner süßesten Verführermiene, seine Mutter dazu zu bewegen, ihn zu dem Vegheler Züchter zu fahren, bei dem, wie auf dessen Website zu lesen war, gerade eine Katze Junge geworfen hatte. Bei einem zweiten Besuch, nicht lange danach, stachen ihm ein silbergraues Kätzchen und ein rostfarbener kleiner Kater ins Auge, Schwester und Bruder, die miteinander herumkugelten und sich balgten. Tonio hatte seine Wahlbereits getroffen, doch die beiden durften vorläufig noch nicht von ihrer Mutter getrennt werden. Über Internet blieb er in Verbindung mit dem Züchter, und so sah er seine kleinen Norweger auf dem Bildschirm von Woche zu Woche wachsen.
Der Tag, an dem er sie abholen durfte, rückte näher. Jetzt mußte er nur noch seinem Vater zweimal 425 Euro abschwatzen, und dann konnte er sie adoptieren.
An einem Sonntag im November trug Tonio ironisch-stolz den Pappkarton mit dem flauschigen Glück aus dem Auto ins Haus. Auf dem Küchentisch streckten Tygo und Tasja (so hatte er sie schon vor Wochen getauft) sich von der Reise aus – um sich dann in ein rundes Brotkörbchen zu legen, in das sie zusammen genau hineinpaßten. So hat Tonio sie von oben fotografiert. Auf dem Foto liegen die Kätzchen, Kopf an Schwanz, so harmonisch verschmolzen innerhalb des Korbrands, daß sie als Verkörperung des Yin-und-Yang-Zeichens dienen könnten. Es hängt jetzt eingerahmt an der Wand, wo vorher ein Porträt neueren Datums von Tonio war,
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