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Tontauben

Tontauben

Titel: Tontauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Mingels
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er, während er konzentriert auf die Straße schaute.
    Wir könnten warten, bis der Regen aufhört, sagte Esther, doch Frank schüttelte den Kopf, ohne sie anzuschauen.
    Ist ja kaum was los, sagte er, und freundlicher setzte er hinzu: Das schaffen wir schon.
    Tatsächlich ließ der Regen bald nach. Zwar war er immer noch gewaltig, doch im Vergleich zur vorhergegangenen Sintflut schien er kaum stärker als ein normaler Schauer. Sie passierten den Hauptort der Insel. Die große Kirche aus Backstein ragte schwarz in den nächtlichen Himmel. Vor einer Tankstelle stand eine Gruppe Jugendlicher, die rauchend und mit Bierdosen in den Händen den Autos hinterherschauten. Die Ampeln waren bereits ausgeschaltet und blinkten orange. Ein weißer Kastenwagen fuhr auf die Abbiegespur und preschte im letzten Moment vor, um sie zu überholen.
    Arschloch, murmelte Frank.
    Er wies nach rechts, wo am Ende einer weiten flachen Ebene eine Reihe roter Lichter zu sehen war.
    Dort hinten ist der Flughafen, erklärte er.
    Seitdem die Insel als Ferienort entdeckt worden sei, verfüge sie über einen Flughafen und einen Autoreisezug. Früher, vor gar nicht langer Zeit, sei man nur mit dem Schiff hierher gekommen. Mittags in die eine, am frühen Abend in die andere Richtung verkehrte ein einziger riesiger Dampfer zwischen dem Festland und der Insel. Wer ihn verpasste, musste bis zum nächsten Tag warten.
    Was auch okay war, sagte Frank.
    Woher weißt du das denn alles?, fragte Esther verwundert.
    Sie hatte gedacht, dass auch er zum ersten Mal auf der Insel sei. Zumindest hatte sie keinen Grund gehabt, etwas anderes anzunehmen.
    Ich war schon mal hier, sagte Frank ausdruckslos und schaltete in einen höheren Gang. Die Straße beschrieb eine Kurve, dahinter waren die Lichter des Hauptorts nicht mehr zu erkennen.
    Wirklich?, fragte Esther.
    Warum hatte er nichts davon erzählt? Sie war erschrocken, als wäre sie auf eine Lüge gestoßen: als wären diese letzten Tage nichts als ein Schwindel gewesen, dessen leichtgläubiges Opfer sie selbst war.
    Ist schon lange her, erklärte Frank.
    Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu.
    Sechs, sieben Jahre bestimmt.
    Er zog eine kleine Grimasse, die schuldbewusst sein sollte, die aber gleichzeitig etwas anderes verriet: Ungeduld, eine überraschende Nachricht zu verkünden. Stolz auf eine kleine Sensation.
    Ich war hier mit einer anderen Frau, weißt du.
    Deiner Frau?, fragte Esther.
    Sie bemühte sich, einen neckenden Tonfall anzuschlagen, aber sie spürte, wie schwach ihre Stimme klingen musste.
    Nein.
    Frank schnalzte zweimal mit der Zunge.
    Eben nicht.
    Er fuhr sich mit einer Hand über das Kinn; er hatte sich seit zwei Tagen nicht rasiert, kratzige, dunkle Bartstoppeln bedeckten Kinn und Wangen.
    Sie war meine, na ja, meine Geliebte, wenigstens für kurze Zeit. Eigentlich eine Freundin meiner Frau, eine Arbeitskollegin. Wir sind uns auf einer Party vorgestellt worden. Ich meine, das war zwar nicht Liebe auf den ersten Blick.
    Er zuckte mit den Achseln.
    Aber zumindest wussten wir sofort, was wir voneinander wollten.
    Er sah Esther an, lächelte und legte ihr eine Hand auf das Bein.
    War sie schön?, fragte Esther.
    Sie hatte sich vorgenommen, nicht danach zu fragen. Zu spät.
    Ja, sagte Frank, sehr.
    Seine Stimme klang versonnen, als setzte er in diesem Moment das Bild der Frau vor seinem geistigen Augen zusammen. Beine, Brust, Gesicht. Natürlich alles schöner als bei mir, dachte Esther.
    Sie war wirklich eine tolle Frau, betonte Frank. Obwohl sie ein Jahr älter war als ich, hatte sie so was Mädchenhaftes an sich. Wobei ich manchmal denke, sie tat vielleicht nur so. Kindchenschema, verstehst du?
    Er sah Esther fragend an, und sie nickte ein paarmal. Konnte es sein, dass Frank vergessen hatte, wer sie war? Dass er sie versehentlich für einen Freund hielt, mit dem er zwanglos über andere Frauen sprechen konnte?
    Du warst wohl sehr verliebt?, kam sie ihm entgegen.
    Weiß nicht. Er biss sich kurz auf die Unterlippe, als denke er nach. Zeitweise wohl schon, gab er zu.
    Zwischen den Dünen tauchte ein großes Schild auf, das den Weg zu einer Strandbar wies. Ein Mann mit einem kleinen weißen Hund lief auf dem durch einen Rasenstreifen von der Fahrbahn getrennten Fußgängerweg. Er hatte die Kapuze seines gelben Regenmantels über den Kopf gezogen. Der Hund hielt sich am Rand des Weges im Schutz der überhängenden Büsche.
    Dann ist das hier, sagte Esther sehr sanft, also so was wie deine Fick-Insel,

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