Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
entpuppte sich als ein Mann wie Peter Crane. Der freundliche Nachbar als Serienmörder.
»Sieht aus, als wäre es etwas Persönliches gewesen«, sagte Vince.
Wie Peter Cranes erster Mord auch … Bis er den nächsten beging und den übernächsten.
»Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus zu dem kleinen Mädchen«, sagte er. »Ich bin nur schnell hier vorbeigefahren, weil ich dich sehen wollte.«
Weil er nach ihr sehen wollte. Unter den Folgen eines Verbrechens litt nicht nur das Opfer. Was ihr passiert war, hatte auch bei Vince Spuren hinterlassen. Er war eine Stunde, nachdem sie entführt worden war, zu ihr nach Hause gefahren. Wenn er nur früher gekommen wäre. Wenn er das Rätsel nur früher gelöst hätte. Er war einer der Besten auf diesem Gebiet. Warum hatte er nicht verhindern können, dass es passierte?
All diese Gedanken quälten ihn seither. Deswegen ließ er sie kaum aus den Augen, deswegen wollte er immer wissen, wohin sie ging und wen sie traf. Er hielt es immer noch kaum aus, nicht bei ihr zu sein.
Sie hatten beide Blessuren davongetragen. Zum Glück konnten sie aufeinander zählen. Nicht alle Opfer konnten mit dem Verständnis von jemandem rechnen, der ihnen so nahestand.
Anne umarmte ihren Mann und drückte ihn einen Moment lang an sich. Vince hielt sie fest und küsste sie auf den Scheitel.
»Ich sollte wieder reingehen«, sagte sie. »Sonst fühlt sich Dennis noch mehr vernachlässigt.«
»Ich muss auch weiter.«
Keiner von beiden rührte sich.
»Was hast du danach vor?«, fragte Vince.
»Um halb zwei habe ich ein Seminar, dann muss ich zur Staatsanwältin. Später bin ich mit Franny zu einem Glas Wein im Piazza Fontana verabredet. Spätestens um halb sieben bin ich zu Hause.«
»Dann werde ich auch da sein«, sagte er. Er strich mit den Lippen über ihr Ohr. »Und nach dem Abendessen werde ich jeden Quadratzentimeter deines Körpers mit Küssen bedecken, Mrs Leone … Denk einfach daran, wenn du dich das nächste Mal ein wenig verspannt fühlst.«
Anne lächelte ihn an. »Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?«
Er schüttelte den Kopf und grinste. »Ich schätze mal, das wirst du mir später genauer erklären müssen.«
»Versprochen.«
Vince brachte sie zum Eingang der Klinik und küsste sie zum Abschied. Anne sah ihm nach, wie er zu seinem Auto ging, dann betrat sie das Gebäude, bereit für die zweite Runde mit Dennis Farman.
6
Als der Leichenwagen mit der Leiche von Marissa Fordham davonfuhr, war Mendez bei seiner fünften Tasse Kaffee angelangt. Es war kurz nach zehn. Er war jetzt seit mehr als drei Stunden am Tatort.
Dixon hatte die Arbeiten hier überwacht, hatte um zusätzliche Fotos und um Videoaufnahmen von jedem Zimmer des Hauses gebeten. Es entsprach keineswegs seiner Gewohnheit, die Leitung einer Tatortermittlung zu übernehmen, aber in einem solchen Fall stand es außer Frage. Er hatte jahrelang für das Sheriff’s Department von L.A. County gearbeitet. Er hat in mehr Mordfällen ermittelt, als Mendez je erleben wollte.
Der Kampf war offenbar im Schlafzimmer des Opfers ausgebrochen. Lampen lagen auf dem Boden, und Möbel waren verschoben und umgeworfen. Schubladen der Kommode waren herausgerissen worden, der Inhalt auf den Boden gekippt.
Ein großer Blutfleck hatte sich auf der geblümten Bettwäsche ausgebreitet. Blutspritzer an der Decke ließen auf die Wucht schließen, mit welcher der Täter zugestochen hatte.
Ein Teil des Inhalts der Schubladen verdeckte das Blut auf dem Boden.
»Er ist noch mal zurückgekommen und hat nach etwas gesucht«, murmelte Dixon und wies den Deputy mit der Kamera an, eine Nahaufnahme zu machen.
»Für einen Einbruch ist da jemand ziemlich ausgerastet«, bemerkte Bill Hicks.
»Er hat sie zuerst umgebracht«, sagte Mendez. »Alles andere geschah danach. Er hat sich so viel Zeit mit dem Mord gelassen, dass es ihm vornehmlich darum gegangen sein muss.«
»Und er hat den Schmuck zurückgelassen«, sagte Dixon und deutete auf ein paar wertvoll aussehende Stücke, die verstreut auf der Kommode lagen. »Er muss nach etwas ganz Bestimmtem gesucht haben.«
»Ich frage mich, ob er es gefunden hat«, sagte Hicks.
»Keine Ahnung, aber jedenfalls hat er sich gesäubert, bevor er sich auf die Suche machte. Auf den Sachen aus den Schubladen ist kein Blut zu sehen. Das heißt, er hat sich die Hände gewaschen.«
»Ziemlich kaltblütig«, sagte Mendez. »Das kleine Mädchen liegt halb tot da, während er sich in aller Ruhe wäscht
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