Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
stolz, um zuzugeben, dass er verletzt war. Kerry war kleiner, jünger und ein Mädchen, da konnte er doch nicht jammern, wenn sie ihn zusammenschlug.
Ohne die üblichen Unterrichtsstunden bestand der Weihnachtsmorgen aus sechs Stunden gnadenlosem Konditionstraining. Die Kinder konnten kaum noch laufen. Large gab ihnen kein Frühstück. James’ Blick war verschwommen, weil ihm das Wasser in die Augen lief, aber seine Hände waren von der Kälte so taub, dass er nichts dagegen tun konnte. Zu all diesen üblichen Schmerzen und Stichen versetzte Kerry ihm beim Sparring auch noch einen schmerzhaften Tritt in die Seite.
Um ein Uhr führte Large die sechs Schüler vom Trainingsgelände weg. Sie zitterten vor Erregung, denn seit dem ersten Tag waren sie nicht draußen gewesen. Vielleicht war das die Weihnachtsüberraschung? Allerdings kannten sie Larges Spielchen mittlerweile gut genug, um sich nicht allzu viel zu erhoffen.
Large hielt an, als sie nah genug waren, um durch die Fenster des Speisesaales im Hauptgebäude zu blicken. In der Mitte des Raumes stand ein vier Meter hoher Weihnachtsbaum mit tausenden von blinkenden Lichtern. Die Tische waren zu vier langen Reihen zusammengeschoben und mit goldenen Tischtüchern bedeckt. Auf jedem Platz lagen feines Geschirr und ein Tischfeuerwerk. James’ Gedanken drehten sich nur um eines: wie warm es dort wohl war.
»Wenn ihr jetzt aufgebt«, sagte Large, »könnt ihr auf eure Zimmer flitzen, duschen und rechtzeitig zum Weihnachtsessen unten sein.«
James wusste, dass Connor sich überlegte aufzuhören, und war sich sicher, dass ihm dies den Rest geben würde. Large ließ sie auf der Stelle laufen und Kniebeugen und Grätschsprünge machen. Drinnen setzten sich die ersten Kinder an die Tafel. Einige winkten den Grundausbildungsschülern draußen zu. James hielt nach Kyle, Bruce und Amy Ausschau, konnte sie aber nicht entdecken.
»Ihr könnt gleich aufgeben«, schrie Large. »Von euch schafft es ja doch keiner. Geht rein und genießt das Essen. Quatscht mit euren Freunden. Das wollt ihr doch... Nein? Seid ihr sicher, Herzchen? Wollt ihr bei zwanzig Liegestützen darüber nachdenken?«
Als sie sich nach den Liegestützen aufrappelten, standen Callum und Bruce innen am Fenster. Callums Arm war eingegipst. Er öffnete das Fenster.
»Gib nicht auf, Connor«, rief er. »Wenn ich dich das nächste Mal sehe, trägst du ein graues T-Shirt!«
Connor nickte seinem Bruder zu. »Ich tue, was ich kann. Fröhliche Weihnachten!« Bruce schubste Callum vom Fenster weg.
»Kümmert euch nicht um Large«, rief Bruce. »Der ist nur ein trauriger, alter Sack, der gerne kleine Kinder schikaniert.«
James lächelte ein wenig, aber nicht so viel, dass Large es mitbekommen konnte. Large stürmte auf das Fenster zu.
»Mach das Fenster zu, sofort!«, verlangte er.
»In Ordnung, Sado«, sagte Bruce und schloss das Fenster.
Als sich Large wieder zu ihnen umdrehte, war sein Gesicht krebsrot.
»In Ordnung, alle zurück zum Parcours!«
Kerry und James lagen auf dem Parcours in Führung, denn sie waren immer noch ein wenig schneller als die anderen. Large war verschwunden. Die beiden vermuteten, dass er in seinem geheizten Büro saß und sein Weihnachtsessen genoss, während er sich auf dem Bildschirm ansah, wie sie sich quälten.
Gegen Ende des Parcours lag eine etwa zweihundert Meter lange Passage, in der man über kantige Felsen klettern musste. Solange man nicht stolperte, war das nicht schwer, aber wenn man erschöpft war, machte man Fehler. Kerry verlor den Halt. James sah ihre Hand auf dem Felsen vor sich und dachte an all die Male, die sie ihn beim Karateunterricht verletzt hatte. In einer Aufwallung von Wut trat er ihr mit dem Stiefel auf die Hand. Kerry schrie auf.
»Warum hast du das getan, du Arschloch?«
»Es war ein Unfall«, sagte James.
»Ich habe dich auf meine Hand blicken sehen. Du musstest dich fast umdrehen, um draufzutreten.«
»Du spinnst, Kerry!«
Kerry schubste James.
»Wir sollen ein Team sein, James. Warum hast du mich verletzt?«
»Du verletzt mich ständig beim Karate«, schrie James zurück.
»Nur weil du zu dämlich bist!«
»Du könntest es mir leichter machen, Kerry. Du musst mich nicht jedes Mal fertig machen!«
»Ich mache es dir leicht!«
James zog das T-Shirt hoch und zeigte Kerry einen heftigen Bluterguss über den Rippen.
»Nennst du das >leicht machen«
Kerry trat nach James. Normalerweise traf sie ihn in die Rippen, aber diesmal saß der
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