Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
ins Wasser glitt, lief die schmutzige Brühe über den Bug. Für einen Moment fürchteten sie, dass es untergehen würde. Als es aufhörte zu schaukeln, war der Bordrand nur wenige Zentimeter über der Wasserlinie, und mit jeder Welle spritzte ein Tropfen mehr hinein. Zwar war der Fluss nicht tief genug, dass das Boot verloren war, wenn es sank, doch sie würden den Motor und die Hälfte ihrer Ausrüstung einbüßen und den nächsten Checkpoint nie erreichen.
Kerry watete bis zur Hüfte ins Wasser und nahm einen Benzinkanister aus dem Boot, vorsichtig darauf bedacht, sich nicht auf den Rand zu stützen. James stellte sich näher am Ufer auf, nahm Kerry den Kanister ab und warf ihn an Land.
Nachdem sie ihre durchweichten Rucksäcke und die Wasser- und Benzinkanister herausgenommen hatten, lag das Boot etwas höher im Wasser.
»Uff«, macht James. »Das war knapp.«
»Tolle Zeit sparende Idee«, meinte Kerry wütend. »Ich habe ja gleich gesagt, wir sollten den Kram rausnehmen.«
»Hast du nicht«, widersprach James.
James hatte fast Recht. Es war zwar seine Idee gewesen, das Zeug im Boot zu lassen, aber Kerry hatte lediglich eingewendet, dass sie das volle Boot nicht würden schieben können, und nicht, dass das zusätzliche Gewicht es unter Wasser drücken würde.
James griff sich einen der Kochtöpfe vom Ufer und schöpfte das Wasser heraus. Als das Boot leer war, drehten sie sich zu den am Ufer verstreuten Benzinkanistern und zu ihrer Ausrüstung um.
»Ich schätze, es ist so wie gestern«, meinte Kerry. »Was brauchen wir? Was lassen wir hier?«
James wurde es fast schlecht, wenn er daran dachte, wie nahe sie am achtundneunzigsten von hundert Tagen daran gewesen waren zu scheitern. So kurz vor dem Ende zu versagen, musste fürchterlich sein. Das Boot tuckerte stromaufwärts, während ihre durchweichten Rucksäcke und die anderen Sachen an Deck in der Morgensonne trockneten.
Der Fluss war an einigen Stellen etwa dreißig Meter breit und sehr flach, sodass sie langsam fahren mussten. James hing über dem Bug und gab Kerry die Richtung an, damit sie nicht irgendwo aufsetzten. In kniffligen Situationen stieß James sie mit einem hölzernen Ruder von der Gefahrenstelle fort. An den schmaleren Stellen war der Fluss tiefer und die Strömung wurde stärker. Hier hingen Bäume und Büsche übers Wasser und sie mussten sich unter den tief herabhängenden Zweigen hindurchwinden.
Wenn sie freie Fahrt hatten, drehte Kerry den Motor auf, das leise Tuckern wurde zu einem Heulen, und dicke, blaue Abgase stiegen auf. Sie blieb auf der Holzbank beim Außenborder, steuerte vorsichtig und verfolgte ihren Weg auf der Karte. James’ Aufgabe war körperlich anstrengender, aber obwohl die Sonne brannte und die Arbeit mit dem Ruder seine Schultern schmerzen ließ, war es ihm doch lieber, als die Verantwortung dafür zu übernehmen, sicher durch die Sackgassen und an den Nebenflüssen vorbei zu dem See zu gelangen.
Als sie das offene Wasser erreichten, hatte die Tagestemperatur ihren Höhepunkt erreicht. Im gleißenden Sonnenlicht konnte man das gegenüberliegende Seeufer nicht erkennen. James legte das Ruder weg, setzte sich in die Mitte auf einen Kanister und schöpfte ab und zu das Wasser aus, das über den Bug spritzte.
»Kannst du irgendwo den Kutter sehen?«, fragte Kerry. »Wenn ich meine Instruktionen richtig verstanden habe, liegt er auf einer Sandbank am Nordende des Sees, mit drei roten Bojen markiert.«
James stand auf und blinzelte vergeblich ins glitzernde Wasser. Zu dumm, dass sie keine Sonnenbrillen hatten.
»Ich sehe gar nichts«, sagte er. »Wir werden wohl am Ufer entlangfahren müssen, bis wir ihn finden.«
Kerry sah auf die Uhr.
»Wir haben noch zwei Stunden Zeit, aber je eher wir an dem Checkpoint ankommen, desto mehr Zeit haben wir bis zum nächsten.«
Außer ihnen war niemand auf dem See. Die Anlegestellen der Fischer, die Schuppen und Läden waren verlassen. Es gab zwar ein paar gut erhaltene Straßen und sogar einige Telefonzellen, aber keine Menschen. Alle paar hundert Meter waren rote Pfosten in den Uferschlamm gerammt. Die Schrift auf den Schildern war Sarawak, was James zwar nicht lesen konnte, doch die gelben und schwarzen Streifen sowie die Blitze sprachen eine für jedermann verständliche Sprache: »Gefahr! Betreten verboten!«
»Das ist verrückt«, fand James. »Was ist hier los?«
»Dieser Karte nach wird stromaufwärts ein riesiger Staudamm gebaut«, sagte Kerry. »Ich schätze,
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