Top Secret - Der Ausbruch
tatsächlich?«, äffte der alte Knabe. »Die
Dame hat gesagt, dass wir unser Geld in ein paar Tagen kriegen. Wir werden sie auf die Zimmer bringen. Du wirst hier nicht gebraucht.«
Als sich Bill aus dem Sessel hievte, roch James einen Hauch von Pomade. Ihm fiel auf, dass Eugene, der andere Mann, ein Hörgerät trug.
»Na, dann geh ich besser«, meinte Vaughn und sah James freundlich an. »Ich sehe dich schon in ein paar Jahren auf einer Harley herumdüsen.«
»Ja«, lächelte James, »hoffentlich.«
»Aber zumindest ist meine Tochter jetzt vor dir sicher.«
James blieb fast das Herz stehen, aber Vaughn lachte laut auf. »Hast du etwa geglaubt, Lisa und ich merken nicht, dass ihr miteinander rummacht?«
»Ähm … ja«, stotterte James nervös und registrierte einen bitterbösen Blick von Lauren.
»Als meine Älteste den ersten Freund hatte, wollte ich ihn umbringen. Aber bei der vierten hat man mittlerweile gelernt, dass es besser ist, keinen Streit deswegen anzufangen.«
James grinste, als Vaughn ihn umarmte und ihm auf den Rücken klopfte. Dann nahm er mit einer Umarmung von Lauren und Curtis Abschied.
»Verdammt noch mal«, schimpfte Bill und ging zum Aufzug. »Hier starrt uns doch alle Welt an!«
Mit leisem Bedauern warf James einen letzten Blick auf Vaughn, der durch die Drehtür in der Dunkelheit verschwand. Auch wenn er früher ein Waffenschmuggler
gewesen war, war Vaughn Little einer der nettesten Männer, die James je kennengelernt hatte.
Im fünften Stock des Hotels bezogen sie zwei miteinander verbundene Zimmer mit jeweils einem Doppelbett. Eugene und Bill hatten ihren Altmännerkram schon in einem Raum ausgebreitet: Pillenfläschchen, Flachmänner, Feinrippunterhosen und die altmodischsten Turnschuhe aller Zeiten, in denen zusammengerollte graue Socken steckten. Die Verbindungstür stand weit offen, und Eugene hatte den Fernseher so laut gestellt, dass man ihn gut und gerne noch auf dem Mars hören konnte.
Die Kinder hatten sich in ihrem Zimmer umgesehen und lagen auf den Betten, um sich etwas auszuruhen, als Bill hereinkam.
»Können wir runter ins Schwimmbad?«, fragte James, der dringend aus dem Zimmer wollte, um mit dem FBI in Kontakt zu treten, falls man dort ihren Ortswechsel noch nicht mitbekommen hatte.
»Nee«, lehnte Bill ab und kratzte sich unter dem Arm, wobei er das Halfter unter seiner Jacke erkennen ließ. »Es ist nach zehn. Ihr Jungs wart überall in den Nachrichten, also lasst euch lieber nicht blicken. Wenn ihr Hunger habt, könnt ihr den Zimmerservice kommen lassen, und dann ab ins Bett. Eugene schläft. Wenn er wach wird, sagt ihm, ich bin unten an der Bar und nehme einen Schlummertrunk.«
Dreißig Sekunden nachdem Bill aus der Tür war, war Curtis schon aus dem Bett gesprungen und hatte eine Dose Bier und eine Menge kleiner Schnapsfläschchen aus dem Kühlschrank geholt.
»Zeit für die Minibar!«, verkündete er, warf James ein Fläschchen Jack Daniels zu und leerte selbst eines.
James wurde unruhig: Als Curtis sich das letzte Mal betrunken hatte, hatte es damit geendet, dass er zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Andererseits bot sich, wenn Eugene schlief, Bill unten an der Bar war und Curtis an der Flasche hing, die beste Gelegenheit, mit Marvin in Verbindung zu treten. Das Telefon im Zimmer konnte er nicht benutzen, denn das Gespräch würde auf der Rechnung auftauchen, aber in der Lobby hatte er Münztelefone gesehen.
»Ich weiß was Besseres!«, rief Lauren aufgeregt. »Warum versuchen wir nicht herauszufinden, wo wir morgen hingehen?«
»Gute Idee«, stimmte James zu, überrascht, wie schlau seine kleine Schwester gelegentlich sein konnte. Er hatte sich so darauf konzentriert, das FBI-Team wissen zu lassen, wo sie steckten, und darüber ganz vergessen, dass seine eigentliche Aufgabe ja darin bestand herauszufinden, wo sich Curtis mit seiner Mutter treffen sollte.
»Wie sollen wir das denn herausfinden?«, fragte Curtis.
James zuckte die Achseln, aber Lauren schlich zielstrebig in den Raum, in dem Eugene schlief, und schnappte sich eine schicke lederne Dokumentenmappe, die ihr ins Auge gestochen war.
»Ich wette, es steht hier drin«, meinte sie.
James leuchtete das ein. Das elegante Stück passte nicht zum übrigen Outfit der Männer. Offenbar hatte ihnen das jemand anderes gegeben.
Lauren öffnete die Mappe und kippte den Inhalt aufs Bett. Da lag nun ein brauner Umschlag mit amerikanischen und kanadischen Dollars und drei falschen Pässen.
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