Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
erklärte Ning und machte mit dem Zeigefinger eine Rein-Raus-Bewegung.
Dan lachte. »Ich hätte gerne Sex, aber sie wohnt bei Mutter und hier du.«
Es war das einzige Mal, dass sich Ning wie eine Last gefühlt hatte, und durch sein schlechtes Englisch konnte sie nicht einschätzen, was er wirklich dachte.
Am nächsten Abend planten sie ihre Flucht. Bischkek lag an einer Autobahn, auf der Lastwagen von China nach Russland gebracht wurden. Sie überlegten, ob sie einen Teil von Nings Geld dafür verwenden sollten, sie von einem chinesischen Lastwagenfahrer nach Russland schmuggeln zu lassen. Aber das würde bedeuten, dass sie zwei Tage durch Kasachstan fahren musste, und Ning sprach kein Russische, daher würde man sie möglicherweise auf der Straße aufgreifen und als illegale Einwanderin wieder nach China zurückschicken.
Dans zweiter Vorschlag klang vielversprechender: mit einem der Flugzeuge des Aramov-Clans nach Europa zu fliegen und dann nach England zu reisen. Ingrid war britische Staatsbürgerin gewesen und als ihre legal adoptierte Tochter konnte auch Ning Anspruch auf die britische Staatsbürgerschaft erheben.
Das würde bedeuten, dass sie in ein Kinderheim in England kam oder vielleicht bei Verwandten von Ingrid wohnte, aber alles schien besser als China, wo sie mit ihrer Geschichte voller Undiszipliniertheit und der Verwicklung in den Mord an den beiden Polizisten garantiert für den Rest ihrer Jugend in eine strenge Reformschule geschickt werden würde.
Nings fünfter Tag war ein Sonntag, an dem Dan nicht arbeiten musste. Er ging auf einen Drink in den Kreml und kam mit Informationen zurück. Offenbar flog der Aramov-Clan drei mal wöchentlich von ihrem Flugplatz in den Bergen aus nach Pilsen in Tschechien.
»Chinesen und Kirgisen brauchen für die meisten europäische Länder ein Visum«, erzählte Dan. »Aber für Tchechien nur Pass. Hast du noch kirgisische Pass?«
Ning hatte in den letzten Tagen nur Dan und die Krankenschwester gesehen und sich angewöhnt, einfaches und langsames Englisch zu sprechen.
»Die Pässe sind in meiner Tasche«, sagte sie. »Kirgisisch und chinesisch.«
»Ich trinke Bier mit Pilot heißt Maks. Er sagt, du an Bord, kein Problem. Wenn in Tschechien, er dich geben an Person er kennt. Von da aus leicht nach Frankreich, Spanien, Italien. England schwerer, er sagt, aber du kannst in Lastwagen schmuggeln, für vielleicht tausend Dollar. Oder bekommst gute europäische Pass. Dauert länger. Vielleicht zwei-, vielleicht dreitausend Dollar. Gut, ja?«
Ning lächelte. »Ja, gut. Ich habe mehr als genug Geld. Ich kenne Maks, er war Kopilot auf unserem Flug hierher.«
»Er fliegt morgen nach Pilsen. Du packen Sachen, ich stelle Wecker auf vier Uhr und fahre dich hin.«
Es war bereits spät und Ning wurde traurig. Natürlich war es unmöglich, den Rest ihres Lebens in Dans winziger Wohnung zu verbringen, aber sie fühlte sich dort sicher und wünschte sich fast, sie könnte bleiben.
Dan hielt seinen schäbigen Lada auf einer Schotterstraße an. Es war dunkel, aber von der Landebahn des Aramov-Flugplatzes im Tal unter ihnen leuchtete bläuliches Licht.
»Geh Pfad weiter«, wies Dan sie an. »Ist steil, Vorsicht. Unten drei kaputte Flugzeuge. Versteck dich, bis Maks kommt. Er zündet Zigarette an, wenn sicher für dich. Will dreitausend Dollar. Du hast sie, ja?«
»Alles abgezählt«, erwiderte Ning.
Tränen traten ihr in die Augen, als sie sich zu Dan hinüberbeugte und ihn umarmte.
»Ich verdanke dir mein Leben«, sagte sie. »Du bist sehr nett und sehr mutig.«
Dan lächelte und wirkte ein wenig durcheinander. »Du mehr als mutig: Noch kein Mädchen gewagt hat, meine dreckige Wäsche waschen.«
Lachend küsste Ning Dan auf die Wange.
»Ich versuche, dich auf dem Handy anzurufen, wenn ich in Sicherheit bin«, versprach sie. »Und ich gebe dir zweitausend Dollar.«
Dan hob abwehrend die Hände. »Ich will dein Geld nicht.«
»Keine Chance«, lächelte Ning. »Ich habe sie in deinem Zimmer unter der Matratze gelassen. Kauf dir neue Vorhänge.«
Sie umarmten einander noch ein letztes Mal, dann nahm Ning ihre Tasche vom Rücksitz und ging den Pfad entlang. Das Licht von der Landebahn vermittelte ihr eine grobe Vorstellung, wohin sie treten konnte, aber der Weg war steiler, als sie vermutet hatte, und mit ihrer gebrochenen Zehe war es schwierig, da auf dem abschüssigen Gelände ihr Fuß bei jedem Schritt im Schuh nach vorne geschoben wurde.
Maks saß auf dem platten
Weitere Kostenlose Bücher