Top Secret - Der Verdacht
willst wohl schnell zurück zu deiner Freundin bei Cherub , was?«
»Was für ein Unsinn!«, schüttelte James in gespieltem Protest den Kopf. »Ich liebe es hier: die muffige Kälte, die halb verhungerten Rentner, die korrupten Bullen, die vor dem Tor ihre Maschinengewehre streicheln, die Tatsache, dass man hier nichts tun kann, außer in die Schule gehen und sich den ganzen Tag den Hintern abfrieren, abends nach Hause kommen und sich vor den Fernseher knallen – vorausgesetzt, der Strom fällt nicht wieder aus. Warum sollte ich je von hier wegwollen?«
»Entweder verkauft uns Obidin die Raketen, oder er fordert uns auf, einen Spaziergang zu machen«, meinte Isla und zog den Reißverschluss an ihrem Rock zu. »Wie es auch ausgeht, in spätestens zehn Tagen sind wir hier raus.«
»Na Gott sei Dank«, stöhnte James. »Habt ihr mir etwas zu essen gemacht?«
Boris nickte. »Im Kühlschrank stehen Käsemakkaroni. Du musst sie zwei Minuten in der Mikrowelle heiß machen und zwischendurch mal umrühren. Oh, und ich habe ins Internet geschaut. Sieht so aus, als sei der Download von der Show ganz gut geworden. Ich habe sie auf DVD gebrannt, damit du sie dir auf dem großen Bildschirm ansehen kannst.«
»Fein.« James nickte. »Damit wäre der halbe Abend ja schon gerettet. Wie sieht es an der Heißwasserfront aus?«
»An deiner Stelle würde ich Schwamm und Schüssel nehmen«, riet ihm Isla. »Der Wasserdruck ist praktisch gleich null und das Duschwasser kurz vor dem Kochen.«
Aus den Wasserhähnen im Bad kam nur Wasser mit Orangestich, daher ging James in die Küche und füllte dort eine Plastikschüssel mit kochend heißem Wasser, fügte kaltes hinzu und brachte es in sein Zimmer. Ein kalter Luftzug traf ihn, als er die Schüssel auf dem Nachttisch abstellte und ein krachhartes Frotteehandtuch und ein Stück Seife hineinwarf. Dann schloss er das Fenster. Jeden Tag stand James vor der Wahl, das Fenster zu öffnen, um den modrigen Geruch nach Feuchtigkeit zu vertreiben, oder es geschlossen zu halten, damit es im Zimmer warm blieb.
Nachdem er sich mit Schüssel und Lappen, so gut es eben ging, gewaschen hatte und in frische Wäsche geschlüpft war, ging James in den Flur. Überrascht sah er Isla an, die, elegant gekleidet, mit einem großen Koffer aus dem Schlafzimmer kam.
»Was ist das denn alles?«, fragte er. »Sieht ja fast aus, als wolltet ihr ausziehen.«
»Dokumente und Aufzeichnungsgeräte«, erklärte Isla. »Wir haben außer dem Koffer ja nur die kleine Aktentasche, und da passen die Sachen nicht rein.«
Boris kam in einem schäbigen Anzug mit Fliege aus dem Schlafzimmer.
»Schick«, kommentierte James grinsend.
»Gefällt es dir?«, erkundigte sich Boris stolz, dem die Ironie in James’ Stimme entging.
»Boris, mein Junge, in dem Aufzug könntest du über einen Pariser Laufsteg wackeln.«
Boris erkannte, dass sich James über ihn lustig machte, und blickte verärgert drein. »Es ist ein angemessener Anzug«, erklärte er pikiert. »Wir gehen jetzt. An deiner Stelle würde ich nicht wach bleiben, wir werden wahrscheinlich nicht vor zwei oder drei Uhr morgens zurück sein.«
»Keine Sorge«, meinte James. »Ich habe ja meine DVD und meine Makkaroni mit Käse.«
Er schlenderte in die Küche und stellte seinen Tel ler in die Mikrowelle. Während das Gerät vor sich hinsummte, lief er ins Wohnzimmer, um die DVD zu starten. Erleichtert stellte er fest, dass der Download tatsächlich funktioniert hatte. Der Titel der Sendung erschien auf dem Bildschirm: Stunt-Unfälle Teil II.
»Sehr schön«, fand James, als er sich die dampfenden Makkaroni holte, und hoffte, dass diese DVD etwas ähn lich Cooles bereithielt wie den Blutstrahl in Teil I, als einer Stuntfrau der Arm abgerissen wurde (James hatte gelacht, Kerry dagegen hatte geschrien und behauptet, er sei ein herzloses Schwein, aber sie hatten sich wieder versöhnt und hinterher sehr schön herumgeknutscht).
Die Makkaroni waren zwar nicht gerade erstklassig, aber genau das Richtige, wenn man den ganzen Tag in der Kälte verbracht hatte. James legte die Füße auf den Couchtisch und ließ sich von einem ernsten Mann mit einem Arm in der Schlinge erklären, dass alle Stunts, die er zu sehen bekam, von Profis ausgeführt wurden, und dass er das nicht zu Hause versuchen sollte. Dann erschienen zwei fette Männer auf dem Bildschirm, die mit laufenden Motorsägen aufeinander zurannten.
»Selbst bei der besten Vorbereitung ist der Beruf des Stuntmans
Weitere Kostenlose Bücher