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Top Secret - Der Verdacht

Top Secret - Der Verdacht

Titel: Top Secret - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sie mitzureißen. In der Annahme, barfuß besser zurechtzukommen als in ihren Schuhen mit den dünnen Sohlen, zog sie diese zusammen mit den Socken aus und schlüpfte aus dem Regenmantel. Sie war sowieso schon völlig durchweicht, und der wasserdichte Stoff, der sich im Sturm bauschte, würde sie nur behindern.
    »Halt durch, Kleines!«, schrie Yvette, als der Wind den Mantel ergriff und fortriss. »Ich komme dich holen!«
    Sie holte tief Luft und überlegte, ob sie beten sollte, doch George kam im Focus auf sie zugefahren. Da sie nicht wollte, dass er sie aufhielt, küsste sie nur schnell das goldene Kreuz um ihren Hals.
    Als das wirbelnde Wasser sich zurückzog, lief Yvette die drei Stufen am Ende des Anlegers hinunter, griff nach dem Metallgeländer und rannte los. Die erste Welle schickte nur wenig Wasser über die hölzernen Planken, aber der starke Wind verlieh ihm erstaunliche Kraft, und Yvette musste die Zehen in die Lücken zwischen den Hölzern graben, damit ihr die Beine nicht fortgezogen wurden.
    Die nächste Welle war riesig und jagte aus der entgegengesetzten Richtung über den Anleger, drückte Yvette rücklings gegen das Geländer, und Salzwasser schoss ihr die Nase hoch. Sie hustete und spuckte, als ein Wellental es ihr erlaubte, weitere dreißig Meter fast bis zum Kopf des Anlegers zu laufen, bevor der nächste Brecher anfegte.
    Als das Wasser wieder ablief, war das Boot kaum mehr fünf Meter entfernt und das Kind deutlich zu erkennen. Es war ein Mädchen mit langen blonden Haaren. Sie trug Lederstiefel, Leggings und einen patschnassen Rollkragenpulli. Auch wenn das Mädchen zu verängstigt gewesen war, um den Laternenpfahl loszulassen und sich zum rettenden Ufer zu flüchten, hatte sie es doch geschafft, ihr Bein zum Schutz zwischen den Laternenpfahl und einen Mülleimer zu klemmen.
    »Bist du so weit okay?«, rief Yvette.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf und sagte etwas in einer Sprache, die Yvette nicht verstand. Ihre blasse Hautfarbe und die billigen, aber warmen Kleidungsstücke ließen vermuten, dass sie aus Osteuropa stammte.
    Yvette wurde klar, dass das Boot illegale Einwanderer geschmuggelt haben musste. Das verängstigte Mädchen war wahrscheinlich von ihren Gefährten getrennt worden, als sie über den Anleger flüchteten, und die anderen hatten entweder angenommen, dass sie von den Wellen ins Meer gerissen worden war, oder das Mädchen war ihnen nicht wichtig genug gewesen, um zurückzukehren und sie zu retten.
    Der nächste Part war der schwierigste: Der Kopf des Anlegers war dafür gebaut, dass Schiffe anlegten, und hatte kein Geländer. Yvette würde auf eine Lücke zwischen den Wellen warten müssen und dann zu dem Mädchen rennen, sie packen und zurücklaufen. Wenn sie den falschen Moment erwischte, würde sie in den sicheren Tod gerissen werden: Entweder sie ertrank, oder sie wurde am Anleger oder der Ufermauer zerschmettert.
    Das Meer war schwarz, und die unregelmäßigen Böen machten es schwer, die Wellen einzuschätzen. Yvette versuchte, der Kleinen zuversichtlich zuzulächeln, aber als sie sich duckte und am Ende des Geländers festhielt, klopfte ihr Herz, als wolle es sich einen Weg aus ihrem Brustkasten heraushämmern.
    Sie zog den Kopf ein, als sich eine riesige Welle aufbaute. Die Metallkonstruktion ächzte wie ein singender Wal, dann erzitterte sie, als das Boot an dem Pfahl zerrte, an dem es vertäut war. Der Plastikrumpf krachte gegen den Anleger.
    »Ich komme!«, rief Yvette.
    Sie brauchte kaum drei Sekunden, um das Mädchen zu erreichen und einen Arm um sie zu legen. Der Kleinen klapperten die Zähne, und ihr magerer Körper war eiskalt. Yvette erkannte, dass sie bereits unterkühlt war und kaum in der Lage sein würde, ihr eigenes Gewicht zu tragen.
    Als sie das Bein des Mädchens aus der Spalte zwischen Pfosten und Papierkorb zog, sah sie, wie sich eine fast mannshohe Welle über dem Ende des Anlegers brach. Sie wurde von dem herantosenden Wasser auf den Rücken geworfen, schaffte es aber, das Mädchen umklammert zu halten.
    Blanker Schrecken überfiel sie, als das Wasser ihren Körper hob und auf den Rand des Anlegers zuschob. Sie hörte, wie das Boot erneut gegen den Anleger krachte, dann klatschte direkt vor ihr etwas Schweres auf die Planken.
    »Halt fest!«, schrie George.
    Yvette griff nach dem Ding, das sich als Rettungsring an einem Seil entpuppte. George hatte ein Bein um das Geländer geschlungen und das Nylonseil um die fleischigen Hände gewickelt. Er

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