Top Secret - Die Mission
Tierversuche - doch wenn sich die Aktivisten gegen den Genuss von Fleisch, das Trinken von Milch, das Tragen von Leder oder andere Dinge wandten, die jedermann tat, sank der Rückhalt rapide.
SPALTUNG
Durch diese Rückschläge kam es zu einer Krise innerhalb der Bewegung. Viele der weniger engagierten Mitglieder beugten sich dem Druck der Polizei und gaben ihren Kampf auf. Einige wurden wegen Diebstahls, Brandstiftung oder Sachbeschädigung verhaftet und mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Wieder andere wurden durch die Rückschläge radikalisiert und vertraten nun die Ansicht, nur mit Gewalt etwas erreichen zu können. Die frühen Aktivisten waren allesamt gegen Gewalt. Ihre Argumentation war einfach: Mensch und Tier sind gleichgestellt. Daher ist Gewalt gegen Menschen genauso inakzeptabel wie Gewalt gegen Tiere.
Doch eine neue Gruppe militanterer Tierschützer brachte ein anders gelagertes Argument vor: Wenn Mensch und Tier gleichgestellt sind, ist es dann nicht recht, einen Menschen zu töten oder zu bedrohen, um dadurch das Leben vieler Tiere zu retten?
RYAN QUINN
Ryan Quinn war einer der ersten Tierbefreiungskämpfer. Er wurde 1952 in Belfast geboren und ist seit seinem zehnten Lebensjahr Vegetarier, da er auf einem Familienausflug miterlebt hatte, wie ein Schaf angefahren und getötet wurde.
Bald nach seiner Einschreibung an der Universität von Bristol nahm er an einer Aktion teil, die von vielen als die erste groß angelegte Tierbefreiungsaktion überhaupt bezeichnet wird. Dabei wurden aus einem Labor achtundsechzig Kaninchen befreit, an deren Rückenmark die Wissenschaftler Elektroschockversuche durchführten. Quinn wurde verhaftet, und obwohl die Polizei die Anklage aus Mangel an Beweisen fallen lassen musste, wurde er zusammen mit elf weiteren studentischen Mitgliedern der Befreiungsbewegung exmatrikuliert. Quinn gilt als ruhiger Mensch, der lieber im Hintergrund arbeitet statt große Reden zu schwingen. Im Laufe der Zeit lernte er fast alle etwa einhundert eingefleischten Aktivisten der britischen Tierbefreiungsbewegung kennen. Er erwarb sich einen Ruf als Experte im Planen ausgefeilter Überfälle und war an der Einrichtung von Camps zur Ausbildung Hunderter Aktivisten aus aller Welt beteiligt.
ZEBRA 84
Im September 1984 wurde Ryan Quinn aus dem Gefängnis entlassen, wo er eine dreimonatige Haftstrafe verbüßt hatte, weil er Videos von Tierversuche gestohlen hatte, als er undercover im Forschungslabor der Royal
Navy gearbeitet hatte. Er hatte die Zeit genutzt, um über die Zukunft der Tierbefreiungsbewegung nachzudenken und war zu dem Schluss gekommen, dass ihr größtes Problem in der fehlenden Fokussierung und Organisation lag.
Keine der frühen Tierschutzvereinigungen verfügte über eine formale Struktur. Jeder konnte einen Anschlag gegen ein beliebiges Ziel planen und durchführen. Das Resultat dieser verstreuten Einzelaktionen war, dass große Firmen und Organisationen kaum unter Druck gerieten und nicht viel mehr Auswirkungen spürten als den verursachten Sachschaden.
Quinn entschied sich, eine neue Zelle namens Zebra 84 zu gründen, die anders vorging. Mehrere Jahre später erklärte Ryan die Bedeutung des Namens im Rahmen einer Fernsehdokumentation:
»Im Grunde genommen ist ein Zebra ein gestreiftes Pferd, doch man wird nie erleben, dass es von einem Menschen geritten wird, denn es ist zu aggressiv. Wenn man versucht, sich auf den Rücken eines Zebras zu schwingen, wird es den Kopf drehen und einen in den Hintern beißen. Und viel wichtiger: Der Kiefer eines Zebras verfügt über eine Arretierung, das bedeutet: Hat einen ein Zebra erst einmal am Arsch, kommt man nirgendwohin, ohne nicht ein Stück von seinem Hintern zurückzulassen.«
Wie ein Zebra wollte Quinns neue Gruppe sich jeweils in eine einzelne Organisation verbeißen und nicht eher locker lassen, als bis sie sie vernichtet hatte.
Die ersten Ziele von Zebra 84 waren schottische Pelztierfarmen. In der Regel brach Quinn mit drei oder vier seiner Komplizen auf einer Farm ein, befreite so viele Tiere wie möglich und zerstörte oder verbrannte dann das Gebäude, in dem sie gehalten worden waren. In den Wochen darauf verfolgte Zebra 84 dann rücksichtslos jeden, der etwas mit der Farm zu tun gehabt hatte. Zu den strikt gewaltlosen Taktiken zählte die Beschädigung von Lieferwagen, das Stehlen von Post, das Verkleben von Türschlössern, Sabotage an Strom- und Wasserleitungen. Die Gruppe tat alles, um dem
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