TOP SECRET - Die Sekte
Solange ihr euch langsam auf das Leben in der Sekte einlasst und immer die Motive hinter den Handlungen und Worten der Sektenmitglieder im Hinterkopf behaltet, liegt die Gefahr, einer Gehirnwäsche unterzogen zu werden, praktisch bei null. Wenn ihr morgen nach der Schule in mein Büro auf dem Unigelände kommt, kann ich euch ein paar grundlegende Konzentrationsübungen beibringen, die verhindern, dass ihr hypnotisiert werdet oder in einen Zustand geratet, in dem ihr leicht zu manipulieren seid.«
Am Montagabend rief Elliot Abigail an, um mehr als eine Stunde lang mit ihr über das Leben und Religion zu reden. Dienstag rief Abigail im Gemeindezentrum an, um zu bestätigen, dass sie am nächsten Abend die ganze Familie mitbringen würde, wenn sie zu ihrer ersten Stunde in der Alleinerziehenden-Gruppe kam.
Auf dem Parkplatz begrüßten sie Elliot, Mary, Eve und ein kleineres Mädchen namens Natasha, mit dem sich Lauren am Samstag zuvor angefreundet hatte. James umarmte Eve, und sie küssten sich auf die Wangen, aber diesmal erinnerte er sich daran, dass Eves Zuneigung darauf abzielte, ihn und seine Familie dazu zu bringen, Survivors zu werden.
Lauren, James und Dana wurden von ihren Begleitern sofort in verschiedene Richtungen gezogen. Da der Gemeinschaftsraum von ein paar älteren Damen für eine Musik- und Tanzstunde genutzt wurde, ging Eve mit James nach oben in einen Raum mit kunstvoll gestalteter Glasfassade. Es war früher offensichtlich einmal ein Juweliergeschäft gewesen.
Am Boden lagen Sitzsäcke und Schaumstoffkissen, auf denen es sich ein paar Teenager bequem gemacht hatten. An der Wand hing ein Fernseher, über den Bildschirm flimmerte ein Bericht über den Bau der zweiten Arche der Survivors in Nevada.
James lächelte. »Ihr habt ja sogar euren eigenen Fernsehsender.«
»Das Programm wird einmal pro Woche von der Arche auf Video hergeflogen«, erklärte Eve. »Es sind verschiedene
Filme und Shows aus dem normalen Fernsehen und Dokumentationen und Nachrichten, die wir selbst produzieren.«
»Sieht ziemlich langweilig aus«, meinte James. »Könnt ihr nicht etwas anderes einschalten?«
»Nein!«, behauptete Eve gekränkt. »Wir wollen nicht den Einfluss der Teufel in unser Heim bringen. Außerdem wird sowieso gleich ausgeschaltet, wenn der Gottesdienst beginnt.«
Als James sich unsicher einen Weg über die weichen Kissen und die Beine der Teenager bahnte, wurde er überall mit Lächeln und Handschlag begrüßt. Kurz darauf kam eine Frau um die vierzig in einem langen weißen Gewand herein. Bevor sie sich in die Mitte des Zimmers setzte, stellte sie sich James als Lydia vor.
»Willkommen, James«, stieß Lydia hervor, als habe sie ihr ganzes Leben lang darauf gewartet, ihn zu treffen.
Die zwei Dutzend Teenager begannen daraufhin zu klatschen, bevor sie den Gruß erwiderten. Als es wieder ruhig wurde, sah Lydia James direkt in die Augen und lächelte ihn an.
»James«, sagte sie. »Am Samstag hast du uns zum ersten Mal besucht. Hat es dir gefallen?«
»Ja.« James nickte. »Es hat Spaß gemacht.«
»Du hast die Ausstellung unten in der Halle gesehen. Hast du gesehen, wie viel Gutes wir für die Umwelt und für die armen Menschen auf der ganzen Welt tun?«
Wieder nickte er, obwohl er sich nicht wirklich dafür interessiert hatte.
»Aber ich habe gehört, dass du nicht an Gott glaubst.«
Es überraschte James, dass seine beiläufige Bemerkung Ruth gegenüber weitergegeben worden war. Er fragte sich, ob er noch mit anderen Dingen konfrontiert werden würde, die er gesagt hatte.
»Na ja …«, meinte er verlegen.
»Das ist schon in Ordnung, James.« Lydia lächelte. »Vielleicht denkst du eines Tages anders darüber. Wir können sehen, dass du ein netter und rücksichtsvoller Mensch bist. Wir wissen, dass du in eine fremde Stadt gezogen bist und noch nicht viele Leute kennst. Aber du hast hoffentlich hier bei uns Freunde gefunden?«
James nickte. »Ihr seid wirklich nett. Ihr seid sogar unheimlich nett.«
James überlief es eiskalt, weil er wusste, dass Lydia ihn zu manipulieren versuchte. Aber er war immer noch verstört, wie leicht es vor vier Tagen gewesen war, sich auf die Gruppe einzulassen. Wäre das das richtige Leben gewesen und keine Mission, würde er weiterhin das wohlige Gefühl genießen, während die Survivors die Kontrolle über sein Leben übernahmen.
»Seid ihr alle hier der Meinung, dass James ein Engel werden könnte?«, fragte Lydia.
»Ja«, antworteten die Teenager
Weitere Kostenlose Bücher