TOP SECRET - Die Sekte
… Nein, Lyle, nicht in einer halben Stunde, sofort ! Ich komme mit James zurück. Falls ihr etwas von der Polizei oder den Medien hört, wisst ihr von gar nichts, klar?«
Im Gemeindezentrum wurde immer viel getratscht. Beim Abendessen hörte Lauren, dass Elliot etwas zugestoßen war, dann traf sie Dana, die gehört hatte, dass James darin verwickelt war. Als sie zur Hausaufgabenstunde in ihren Schlafsaal im ersten Stock kam, redeten schon alle darüber, aber das einzig Handfeste, das man erfuhr, war, dass Elliot ins Krankenhaus gebracht worden war.
Lauren nahm eine Abkürzung zur Sporthalle, als sie Paul sah und ihn in einem sonnendurchfluteten Gang zur Rede stellte.
»Wo ist mein Bruder?«, fragte sie. »Warum ist er nicht mit dir zusammen zurückgekommen?«
Paul schüttelte den Kopf und machte eine Geste, als ob er sich den Mund verschlösse. »Tut mir leid, Lauren, ich musste schwören, es geheim zu halten.«
Er wollte weitergehen, doch Lauren verstellte ihm den Weg. »Geht es meinem Bruder gut, Paul? Ich muss es wissen.«
»Er ist nicht verletzt, so viel kann ich dir sagen.«
Doch Lauren wollte alles hören. »Aber was ist denn da genau passiert?«
»Das kann ich dir nicht sagen, Ween hat mich schwören lassen. Wahrscheinlich gibt es später eine offizielle Bekanntmachung.«
Er machte einen Schritt, doch wieder verstellte Lauren ihm den Weg.
»Lass das«, verlangte Paul scharf.
Lauren wollte unbedingt wissen, was los war. Schnell sah sie sich um, ob jemand in der Nähe war, dann ergriff sie Paul am Handgelenk. Sie drehte ihm den Arm auf den Rücken und stieß ihn gegen die Wand. Paul war ein paar Jahre älter als Lauren, aber er konnte sich aus ihrem professionellen Griff nicht befreien. Er schien nett zu sein, und Lauren wollte ihn nicht verletzen, aber sie musste wissen, ob James in Gefahr war.
»Ich habe einen Eid geschworen«, stieß Paul hervor. »Du kannst mir wehtun, so viel du willst; der Teufel wird mir tausendmal Schlimmeres antun, wenn ich meinen Eid breche!«
Lauren verstärkte ihren Griff, sodass er vor Schmerz aufstöhnte. Sie fürchtete beinahe, dass er so stark unter dem Einfluss der Survivors stand, dass er eher einen gebrochenen Arm als einen gebrochenen Eid riskieren würde.
»Bitte!«, flehte Paul fast heulend. »Bitte lass mich nicht meinen Eid brechen!«
Lauren hatte weder den Nerv, Pauls Arm zu brechen, noch mochte sie den Ärger in Kauf nehmen, den es dafür geben würde. Sie ließ ihn los und trat zurück.
»Was ist dein Problem?«, schrie Paul. Er fühlte sich erniedrigt und gab sich Mühe, nicht zu weinen. »Ich habe dir doch gesagt, dass er nicht verletzt ist. Was willst du denn noch?«
»Alles«, sagte Lauren mit einer Verzweiflung, die wohl übertrieben, aber keineswegs völlig erfunden war. »Du hast doch auch einen Bruder. Würdest du nicht alles wissen wollen, wenn Rick irgendetwas passiert wäre?«
Der Appell an seine Gefühle hatte auf Paul eine stärkere Wirkung als der Armgriff, sodass sich Lauren wünschte, sie hätte diese Taktik zuerst angewandt.
»Okay …«, meinte Paul und überlegte. »Ween hat mich schwören lassen, nicht darüber zu sprechen, was passiert ist, aber ich schätze, ich kann dir sagen, wo James ist. Dann kannst du das andere selbst herausfinden. Aber du musst mir schwören, niemandem zu verraten, dass du das von mir weißt.«
Lauren nickte. »Ich schwöre es als ein Engel, sonst soll mich ewiger Schmerz in der feurigen Hölle erwarten.«
Der Schwur, der in der Sprache der Survivors ein starker war, schien Paul einigermaßen zu beruhigen.
»James ist in Elliots Büro.«
»Ist Elliot da?«
»Nein, aber Ween.«
Lauren lächelte. »Gut, dann gehe ich zu ihm.«
»Besser nicht«, warnte Paul. »Ween wird ausflippen. Du wirst bestraft werden, wenn du deine Nase da hineinsteckst.«
Lauren log Paul an, um ihn zu beruhigen. »Na gut, ich lasse es erst mal. Mal sehen, ob es eine Bekanntmachung gibt. Du bist ein guter Kerl, Paul, es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe.«
»Es hat gar nicht wehgetan«, log Paul. »Aber wenn du so etwas noch einmal machst, werde ich es berichten müssen.«
Als Paul zum Basketballspiel auf einem der Außenplätze abzog, dachte Lauren über alles nach. Gerne hätte sie Dana oder Abigail um Rat gefragt, doch die hatten beide Spüldienst, und in der chaotischen Küche der Kommune gab es keine Gelegenheit, eine private Unterhaltung zu führen. Außerdem, falls man sie erwischte, konnte sie immer noch
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