TOP SECRET - Die Sekte
drückte sich regelmäßig davor und verbrachte jede Schicht mehrere Stunden in einem Raum, in dem alte Möbel gelagert wurden. Da das Büro so groß war, dass man sich leicht aus den Augen verlor, war es einfach, zu verschwinden.
Am liebsten holte sich Rat ein Glas Milch und ein paar Kekse aus der Küche und versteckte sich unter einem kaputten Schreibtisch, um ein Taschenbuch zu lesen. Dummerweise beschränkte sich die Literatur in der Arche auf die Weisheiten von Joel Regan und ein paar klassische Romane, die die älteren Kinder im Unterricht durchnahmen. Rat mochte die Taschenbuchausgabe von Oliver Twist am liebsten, die er aus einem Klassenzimmer gestohlen und schon über ein Dutzend Mal gelesen hatte. Die Ausgabe war völlig zerfleddert, sodass er die Seiten mit einem Gummiband zusammenhalten musste, damit sie nicht auseinanderfielen.
Lauren verbrachte zwar viel lieber Zeit mit Rat, als Büroarbeit zu erledigen, doch sie blieb fleißig bei der Sache, weil sie wusste, dass es ihre Mission nicht voranbringen würde, wenn sie nur herumsaß und schwatzte. Doch Rat konnte sehr hartnäckig sein und überredete Lauren, eine halbe Stunde mit ihm unter seinem Schreibtisch über verschiedene Videospiele zu plaudern. Als kleines Kind hatte er sie in den Flugzeugen spielen können, aber in der Arche waren sie nicht erlaubt, doch sie faszinierten ihn. Er wollte jedes Detail wissen, wie viele
Knöpfe die Kontroller verschiedener Konsolen hatten, was man auf einer Speicherkarte alles speichern konnte und was die beliebtesten Spiele waren.
Als Lauren endlich gehen wollte, um ein wenig zu arbeiten, hörte sie auf der anderen Seite der Tür Stimmen. Um Rats Versteck nicht zu verraten, wartete sie, dass das Gespräch beendet wurde, doch stattdessen brach draußen ein Streit aus.
»Wer ist das?«, flüsterte Rat.
Als Lauren erkannte, dass es die Stimmen von Joel Regans Frau und seiner ältesten Tochter waren, wurde sie ganz aufgeregt.
»Susie und die Spinne!«
Rat liebte Klatsch und Tratsch und krabbelte unter dem Tisch hervor. Die beiden Kinder klebten förmlich mit den Ohren an der Tür und sprangen erschrocken zurück, als Susie dagegenprallte.
»Nimm deine spillerigen Finger von mir, Spinne!«, kreischte Susie.
»Ich habe ein Loch entdeckt«, rief Eleanor aufgebracht. »In den letzten fünf Tagen sind siebzig Millionen Dollar verschwunden!«
»Und was hat das mit mir zu tun?«, rief Susie.
»Mein Vater und ich waren die Einzigen, die Zugang zu diesem Geld hatten. Und jetzt wird es von Lomborg Financial abgezogen.«
»Warum sprichst du dann nicht erst mit deinem Vater, bevor du mich beschuldigst?«
»Erzähl mir keinen Mist, Susie, ich bin nicht von gestern.
Ich weiß doch, dass du ihn so lange gequält hast, bis er dir eine Vollmacht über das Konto ausgestellt hat. Er ist ein kranker Mann und du nutzt sein Vertrauen aus!«
»Arnos Lomborg hat einen Haufen Geld für uns verdient«, gab Susie zurück. »Solange die Dollars hereinrollen, ist es dir egal, nicht wahr? Aber ohne mich würde eure schöne Arche in Nevada bis heute nur auf dem Papier bestehen. Und Japan und Europa wären unerreichbare Träume!«
»Worauf gründet sich diese wunderbare Fähigkeit, Geld zu machen?«
»Investitionen.«
»Erzähl das jemand anderem. Ich bin kein Finanzgenie, aber das muss man auch nicht sein, um zu wissen, dass zweihundert Prozent Profit bei einer dreiwöchigen Investition nicht legal sein können.«
»Zähl einfach dein Geld und halt die Klappe«, giftete Susie. »Der einzige Grund, warum dir das nicht gefällt, ist, dass meine Leute die Verträge mit Lomborg geschlossen haben. Was hatten die Survivors denn schon, bevor ich mich darum gekümmert habe? Verkaufsautomaten, Sammelbüchsen und Mahnungen vom Elektrizitätswerk. Joel hat uns beinahe bankrott gemacht mit seinem Versuch, diesen gottverlassenen Flecken in der Wüste in eine jämmerliche Disneyland-Kopie zu verwandeln.«
Rat grinste Lauren an und zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Ich verstehe das genauso wenig wie
du . Er konnte nicht ahnen, dass Lauren sehr wohl die Bedeutung dieser Worte verstand. Susie Regan stand hinter der Verbindung von Help Earth mit den Survivors. Joel war zu krank, um Entscheidungen zu treffen, und die Spinne hatte nichts damit zu tun.
»Außerdem«, sagte Susie, »da du schon von deinem armen Vater redest: Wann hast du dich denn das letzte Mal nachts um ihn gekümmert? Wann hast du ihn das letzte Mal überhaupt
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