Topas
vertrauen wir darauf, daß Sie unsere Bemühungen um
Entlarvung und Aushebung dieses Agentenringes mit aller gebotenen
Umsicht unterstützen.
Mit aufrichtigen
Grüßen
Der Präsident
unterschrieb den Brief und gab ihn Marshal McKittrick, der ihn
zusammenfaltete und in seine Brusttasche steckte. »Ich
versiegle ihn, wenn Devereaux ihn gelesen hat«, sagte er. Der
Präsident nickte. »Den französischen Botschafter
rufe ich später noch an. Ich wünsche, daß Sie sich
morgen auf dem Weg nach Paris befinden.«
»Jawohl«,
erwiderte McKittrick.
»Großer
Gott!« seufzte der Präsident. »Ich hoffe nur, La
Croix hält dies nun nicht auch für eine
Finte.«
64
Während in
Washington der erste kühle Herbstwind wehte, wurde die
explosive Stimmung durch äußerliche Ruhe und den
Anschein der Normalität vertuscht.
Im Westflügel des
Weißen Hauses herrschte ein ständiges Kommen und Gehen
von »Tauben« und »Falken«; die Tage
verrannen in pausenloser Geschäftigkeit. Nachdem das
Vorhandensein sowjetischer Raketen auf Kuba ohne jeden Zweifel
erwiesen war, erreichte die Krise ihren Höhepunkt.
Die
»Falken« und die »Tauben« diskutierten das
Für und Wider der verschiedenen Standpunkte. Die Ratgeber,
Auswerter, Sachverständigen und Referenten berieten,
bewerteten, begutachteten und berichteten.
Und dann stand ein
einziger Mann, der Präsident, vor der schweren
Entscheidung.
An einem regnerischen
Tag Ende Oktober wurde der französische Botschafter Rene
d'Arcy ins Weiße Haus gebeten. Man ließ ihn das
Bollwerk von Sicherheitsbeamten und Empfangsdamen passieren und
führte ihn gleich in das Zimmer des
Präsidenten.
Der Präsident
begrüßte d'Arcy herzlich, er ging ihm entgegen und
führte ihn zu den Sesseln vor dem Kamin. Während sie noch
ein paar Begrüßungsworte wechselten, gesellte sich
Marshal McKittrick zu ihnen.
»Wir haben in
den letzten Monaten«, begann der Präsident, »den
Verdacht geschöpft und inzwischen den
unumstößlichen Beweis erhalten, daß die Sowjets
auf Kuba Mittelstreckenraketen aufbauen. Zweifellos sind Sie durch
den französischen Nachrichtendienst, insbesondere durch
Monsieur Devereaux, darüber unterrichtet.«
»Ja, ich
weiß davon«, sagte d'Arcy und hoffte, der
Präsident werde nicht bemerken, daß er eine Havanna
rauchte.
McKittrick gab einen
genauen Bericht über Stellung, Reichweite und geschätzte
Stärke der sowjetischen Waffen, die nun in der westlichen
Hemisphäre in Bereitschaft standen. Als er seinen Vortrag
beendet hatte, sprach der Präsident weiter: »Wir haben
die Lage unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt durchdacht und sind
zu einem Entschluß gekommen. Den britischen Botschafter habe
ich schon verständigt. Innerhalb der nächsten
sechsunddreißig Stunden werden wir unsere sämtlichen
NATO-Verbündeten unterrichten, und dann erfährt es das
amerikanische Volk.«
D'Arcy lief ein
Schauer über den Rücken, denn was der Mann, dem er hier
gegenübersaß, ankündigte, konnte durchaus Krieg
bedeuten.
»Die
günstigste Maßnahme ist meiner Meinung nach im
Augenblick eine Seequarantäne.«
»Denken Sie an
eine Blockade, Herr Präsident?«
»Nicht an eine
Blockade gegen harmlose Frachtschiffe, sondern an eine
Quarantäne für Schiffe, die Angriffswaffen geladen haben;
wir werden sie stoppen, kontrollieren und an der Weiterfahrt
hindern.«
Vielleicht war das in
dieser Situation noch der maßvollste Schritt; trotzdem begann
damit die Lunte zu glimmen, und wenn die Menschen nicht rasch
vernünftig wurden, konnte ein Zusammenprall auf offener See
oder ein Luftangriff gegen die Raketenbasis auf Kuba zu allgemeinem
Säbelrasseln, zu einer Invasion Kubas und damit zum Vorspiel
einer weltweiten Massenvernichtung führen.
D'Arcy wußte,
daß Präsident La Croix über das einseitige Vorgehen
Amerikas vor Wut schäumen würde, denn die USA entschieden
über Leben und Tod, ohne ihre Verbündeten zu
konsultieren. - »Was erwarten Sie von Frankreich?«
fragte er.
»Daß es
unserer Lage Verständnis entgegenbringt, die Quarantäne
beachtet und unseren Standpunkt, daß wir in Gefahr sind,
teilt.«
Und damit ziehen Sie
Frankreich gegen seinen Willen in einen Krieg, dachte d'Arcy, aber
er sagte es nicht.
»Ich schicke
McKittrick als meinen persönlichen Beauftragten nach Paris und
London, um Präsident La Croix und den britischen
Premierminister zu unterrichten. Wir bitten Sie, die Angelegenheit
bis zu seiner Ankunft in Paris vertraulich zu behandeln.« -
D'Arcy versprach
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