Topas
es.
»Nun noch
eins«, sagte McKittrick. »Da Andre Devereaux mit der
Raketenangelegenheit genauestens vertraut ist, wäre es mir
lieb, wenn er in Paris dabeisein könnte. Außerdem
müssen wir eine wichtige Sicherheitsfrage klären, die
seine Anwesenheit erfordert.«
»Devereaux steht
Ihnen gern zur Verfügung.«
»Vielen Dank,
Exzellenz. Ich fliege in zwei Stunden.«
*
Zu der Zeit, da
Marshal McKittrick und Andre Devereaux an Bord der Maschine gingen,
bezogen starke Streitkräfte gleichmäßig verteilte
Stellungen entlang der amerikanischen Küste, und die Flotte
lief in den Atlantik aus, um den Seeweg nach Kuba abzuschneiden. In
der Luft kreisten die Bombenflugzeuge des Strategie Air Command,
bereit zum atomaren Einsatz, und in unterirdischen Stellungen wurde
das fürchterliche Arsenal der Raketen, die auf
vorausberechnete Ziele in der Sowjetunion gerichtet waren, in
Alarmbereitschaft versetzt. Alles war darauf vorbereitet, auf ein
Zeichen hin die schrecklichste Katastrophe der
Menschheitsgeschichte zu entfesseln.
65
Die
Kurier-Düsenmaschine der Air Force zog ihren Kondensstreifen
über die äußerste Landspitze Amerikas. Marshal
McKittrick zeigte Andre den Brief, den er Pierre La Croix bringen
sollte. Andre las ihn und gab ihn kommentarlos
zurück.
Dann wurde eine kalte
Platte und etwas zu trinken serviert, und man stellte ein
Kartentischchen auf. Mit einem Besatzungsmitglied als Partner
spielte Andre eine Partie Bridge gegen McKittrick und den Steward;
der Franzose gewann haushoch.
»Wo, zum Teufel,
haben Sie so gut Bridge gelernt?« fragte
McKittrick.
»Es gab einmal
eine Zeit, da spielte ich um mein Leben, oder vielmehr, um zu
überleben. In guten Nächten verdienten wir meistens so
viel, daß wir Brot und Wein für ein Dutzend Kameraden
kaufen konnten. Manchmal konnten wir uns sogar ein neues Paar
Schuhe leisten«, erwiderte Andre.
»Wann war
das?«
»Als ich in
Spanien interniert war. Damals lernte ich übrigens Nicole
kennen«, sagte er und stockte plötzlich, denn ihm wurde
bewußt, daß er auf dem Weg zu ihr war. »Das ist
eine lange, lange Geschichte, Marsh.«
Eine Weile hingen sie
ihren Gedanken nach, keiner von ihnen brachte die nagenden Fragen
zur Sprache, die mit dem von Kuznetow enthüllten
Betrugsmanöver zusammenhingen.
»Ich habe in
meinem Beruf nie aus Rache gehandelt«, sagte Andre
schließlich, »aber diesmal wird mir jemand
büßen. Ich werde ihn finden und entlarven, und wäre
es auch meine letzte Tat auf Erden.«
»Seien Sie nur
vorsichtig«, erwiderte McKittrick. Er stand auf und ging
über den Gang zu seinem Sitz, öffnete seine Aktenmappe,
versiegelte den Brief an Pierre La Croix und tat ihn zu den
übrigen Papieren.
Andre wärmte sich
mit einem Kognak auf und beobachtete gedankenverloren, wie das
Düsenflugzeug in die Dämmerung glitt. Es war jener
Augenblick - den er von mancher Flugreise her kannte -, in dem der
Alkohol, die Flughöhe und der Eindruck des Losgelöstseins
einen verwandelten, einlullten und in ein Gefühl der
Zeitlosigkeit eintauchten.
Seit Andre Devereaux
von der Topas-Verschwörung wußte, hatte er seine
Nächte in ruheloser Stimmung, nur halb schlafend oder zornig
auf und ab gehend, verbracht; der Verrat seiner Landsleute
quälte ihn. Männer, die Frankreich aus Dummheit oder
Schlechtigkeit vernichten wollten, zerrten die Jahre aufopfernder
und mühevoller Arbeit, die er aus Liebe zu seinem Land
geleistet hatte, in den Schmutz.
In welches Wespennest
würde er nun in Paris hineinstechen müssen? Die Falle,
die man Henri Jarre gestellt hatte, würde wohl bald
zuschnappen, aber da war noch ein anderer, über ihm …
Columbine. Andre war entschlossen, den obersten Verräter
aufzustöbern, koste es, was es wolle.
Immer wieder ging ihm
der Name eines Mannes im Kopf herum: Oberst Gabriel Brune,
Stellvertretender Verwaltungschef des SDECE. Nach den
Enthüllungen über die sowjetischen
Nachrichtenfälschungen und ihre Wirkung in der Suezkrise
erschien die Haltung Oberst Brunes höchst
verdächtig.
Andre warf einen Blick
zu Marshal McKittrick hinüber, der eingenickt war.
Merkwürdig, dachte er, es war fast auf den Tag sieben Jahre
her, daß er und McKittrick während der Suezkrise schon
einmal die gleiche Tragödie erlebt hatten.
Die Israelis waren in
die Halbinsel Sinai eingedrungen und rückten in Richtung auf
den Kanal vor. Andre hielt sich damals gerade in Paris auf.
Aufgrund seiner engen Beziehungen zu den Amerikanern
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