Topas
zog man ihn
ins Vertrauen; man unterrichtete ihn und bat um seinen Rat. Andre
wußte, daß Marshal McKittrick im Auftrag des
amerikanischen Präsidenten in Rom weilte, und ließ ihn
bitten, nach Paris zu kommen.
Oktober
1956
Andre Devereaux und
der amerikanische Botschafter Rawlins holten Marshal McKittrick in
Orly ab. Die Angelegenheit war so dringend, daß Andre die
beiden Amerikaner noch im Wagen auf der Fahrt nach Paris
informierte.
»In vier
Stunden«, erklärte er, »stellen wir - gemeinsam
mit Großbritannien - den Ägyptern und Israelis ein
Ultimatum: Feuereinstellung und Anerkennung einer Demarkationslinie
in zehn Kilometern Entfernung vom Kanal.«
»Ein einseitiger
Schritt?«
»Ja.«
»Stehen Sie mit
Israel im Bunde?«
»Das weiß
ich nicht«, erwiderte Andre. »Wird das Ultimatum zur
Feuereinstellung nicht angenommen, greifen
englisch-französische Streitkräfte ein und besetzen den
Kanal.«
Die Amerikaner nahmen
die Nachricht mit erzwungener Ruhe auf und überlegten sich,
welche Folgen dieser Schritt für ihr eigenes Land haben
könnte. Es war durchaus möglich, daß Amerika durch
Frankreich und England ohne vorherige Konsultation in einen Krieg
hineingezogen wurde.
»Hätten Sie
uns nicht wenigstens einen Tag vorher verständigen
können?« fragte McKittrick schließlich.
»Ich möchte
annehmen, daß wir uns von niemandem mehr dreinreden lassen
wollten«, erwiderte Andre.
»Nun, das
scheint ein arbeitsreicher Nachmittag zu werden«, meinte der
Botschafter. »Was erwartet Frankreich von den Vereinigten
Staaten?«
»Daß Sie
als Verbündete unsere Haltung billigen und verstehen,
daß wir diesen Schritt im internationalen Interesse
tun.«
Während
Botschafter Rawlins und Marshal McKittrick sich in die Arbeit
stürzten, Washington verständigten und Weisungen
entgegennahmen, teilte Andre dem stellvertretenden Verwaltungschef
des SDECE, Oberst Gabriel Brune, mit, daß die Vereinigten
Staaten über die bevorstehende Aktion unterrichtet
seien.
So nahm einer der
letzten Feldzüge, die aus unverhohlenem, überkommenem
Imperialismus unternommen wurden, Gestalt an. Als die Nachricht den
Präsidenten der Vereinigten Staaten erreichte, rief er eilig
seine Ratgeber zu sich.
Die Lage schien
eindeutig zu sein. Frankreich und Großbritannien, die
traditionellen Verbündeten, waren auf eine internationale
Kontrolle des Suezkanals angewiesen, wenn sie nicht auf Gnade und
Barmherzigkeit dem ägyptischen Diktator Gamal Abdel Nasser
ausgeliefert sein wollten. Frankreich hatte überdies allen
Grund, Nasser wegen offener Sympathie und Hilfeleistung für
die algerischen Aufständischen niederzuwerfen.
Der Westen war tief
beunruhigt über Nassers Liebäugeln mit der Sowjetunion,
über die Masseneinfuhr sowjetischer Waffen nach Ägypten
und über die erschreckende Aussicht, daß Rußland
in den Mittelmeerraum vorstoßen könnte.
Für Israel war
die Besetzung der Halbinsel Sinai eine Frage des Überlebens,
denn es galt, den ägyptischen Überfällen ein Ende zu
setzen und die Konzentration der von Rußland gelieferten
Waffen zu unterbinden. Außerdem mußte Israel die
Blockade des Roten Meers durchbrechen, um den Seeweg nach Asien
freizubekommen.
Das ganze Unternehmen
roch nach einem heimlichen Einverständnis zwischen Franzosen,
Briten und Israelis. Aber das sollte offensichtlich ein Geheimnis
bleiben.
Dreieinhalb Stunden
nach seiner Ankunft in Paris und eine halbe Stunde vor dem
Ultimatum betrat Andre Devereaux das Büro des amerikanischen
Botschafters.
»Die Vereinigten
Staaten«, erklärte ihm der Botschafter, »nehmen
folgende Haltung ein: Offiziell sind wir über Frankreichs
Absicht, den Kanal zu besetzen, nicht verständigt worden. Nach
Veröffentlichung des Ultimatums und nach Beginn der Invasion
werden wir unserer Überraschung und Empörung Ausdruck
geben. Keinesfalls dürfen wir bei diesem Wagnis als Partner in
Erscheinung treten. Nur so haben wir freie Hand, die Sowjetunion
als gleichfalls neutrales Land aus dem Konflikt herauszuhalten
…«
»Und nun tun Sie
uns den einen Gefallen«, beschwor ihn McKittrick, »und
nehmen Sie diesen verdammten Kanal innerhalb der nächsten
zweiundsiebzig Stunden ein. Schaffen Sie eine vollendete Tatsache,
denn danach müssen wir Sie vor den Vereinten Nationen als
Aggressor verurteilen. Holen Sie sich den Kanal, dann diskutieren
wir anschließend die Sache zu Tode.«
Die Haltung der
Vereinigten Staaten wurde Oberst Brune fast gleichzeitig mit der
Übersendung des
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