Topchter der Köingin Tess 1
»Meinst du, es wird Garrett gefallen?«, fragte ich und steckte das Messer in eine Schublade. »Du hast ihn also gesehen. Was hältst du von ihm?«
Der winzige Schnitt in meinem Finger war offenbar rasch vergessen. Heather setzte sich auf den Rand meiner gepolsterten Ankleidebank und strahlte über das ganze Gesicht. »Ihr habt ein solches Glück, dass einem davon schlecht werden könnte. Unter all den dicken, hässlichen Edelleuten findet Ihr irgendwie den einzig gutaussehenden.«
Zumindest ist er nicht hässlich, dachte ich. »Ist er klug?«, fragte ich ihr Spiegelbild.
»Klug? Spielt das eine Rolle? Er sieht umwerfend aus!«
»Ach, wie nett …«, sagte ich in gespieltem Desinteresse und strich mir das Haar glatt. Natürlich hatte ich Porträts von ihm gesehen. Doch Porträts logen gern.
»Ja, und er sieht so aus, als wüsste er sein Schwert wirklich zu gebrauchen«, sagte sie vertraulich. »Auch das, das er am Gürtel trägt«, fügte sie mit unschuldig aufgerissenen blauen Augen hinzu.
Ich warf ihr mit hochgezogenen Brauen einen Blick zu. Mochten die Engel mir Kraft verleihen. Ich wartete schon viel zu lange auf einen Ehemann. Irgendwann wünscht sich jedes Mädchen mehr, als nur Zierdeckchen zu häkeln.
»Und er hat das Frühstück so gelobt, dass die Köchin ganz rot geworden ist«, fuhr Heather fort.
Das war beeindruckend. Diese alte Frau erröten zu lassen, war gar nicht einfach. »Er kann unmöglich besser aussehen als der Falknersbursche«, protestierte ich in der Hoffnung, dass sie mir widersprechen würde.
Sie nickte begeistert. »Um Wagenlängen. Herr, hilf mir, seine Schultern könnten Engel zum Weinen bringen. Und er hat einen so straffen kleinen –«
»Heather!«, rief ich, während sie sich theatralisch Luft zufächelte und auf der Polsterbank am Fenster niedersank.
»Oh …«, stöhnte sie. »Ihr werdet so viele Kinder haben, dass die Bauern Euch beneiden werden. Beneiden, jawohl!«
Erfreut wandte ich mich ab. Es war meine Pflicht, das lukrativste Angebot zu heiraten, ganz gleich wie hässlich oder dumm der Mann sein mochte, der damit einherging. Die Einstellung der benachbarten Adelsfamilien – »Heirate sie um des Ruhmes willen, oder ermorde sie zu deiner eigenen Sicherheit« – machte die Sache nicht einfacher. Und seit der Geschichte mit dem armen Prinz Rupert hatten wir einen drastischen Rückgang von Heiratsanträgen hinnehmen müssen.
»Gutes Aussehen ist nicht alles«, sagte ich, fuhr mir mit der Bürste durchs Haar und verfing mich in einer Locke.
Heathers Gesicht verzerrte sich in gespieltem Entsetzen, als sie meinem Blick im Spiegel begegnete. »Wenn man Euch so reden hört, könnte man meinen, gutes Aussehen bedeute gar nichts!«
Ich neigte den Kopf zur Seite. »Wenn jemand so dächte, dann hätte derjenige … zur Hälfte recht?«
Sie warf ein Kissen nach mir, das ich mit Leichtigkeit abwehrte. »Auf so einen Gedanken kommt nur jemand von königlichem Blut«, sagte sie angewidert. »Aussehen ist … einfach alles!«
Ich betrachtete mich im Spiegel und hoffte, dass Garrett diese Ansicht nicht teilte. »Ich will einen Mann, der so klug ist wie ich«, erklärte ich und dachte sehnsüchtig an Prinz Ruperts geistreiche Briefe, die noch ganz unten in einer Schublade meiner Kommode lagen. »Einen, mit dem ich eine anständige Partie Diebe und Könige spielen kann.«
»Spiele«, sagte Heather seufzend, trat hinter mich und nahm mir die Bürste wieder ab. »Ist das alles, woran Ihr denkt? Männer sind Schweine, die im Schlamm wühlen, da sind sich die königlichen und die bürgerlichen gleich. Je eher Ihr das begreift, desto glücklicher werdet Ihr sein.«
»Einen Mann mit hohen moralischen Werten«, fuhr ich fort, obwohl ich wusste, dass sie das nicht verstand. »Ein wenig gefährlich vielleicht?«, fügte ich hinzu, und ihre Augen blitzten vor unterdrücktem Lachen. »Er sollte Macht besitzen, nicht unbedingt Reichtum.«
Heather schnaubte und bürstete weiter. »Ihr hättet bessere Aussichten, einen Punta beim Schwanz zu packen, als einen Mann zu finden, der Euren Ansprüchen genügt, Tess. Vor allem, da Ihr nur in einem so kleinen Gewässer fischen könnt.«
Ich seufzte. »Mit Fabelwesen fängt man Fabelwesen«, sagte ich und fand die Analogie sehr treffend – wenn auch nicht eben ermutigend. Puntas waren riesige Wildkatzen mit silbernen Haarbüscheln an den Ohren, die in einem kleinen Wirbelwind verschwinden konnten, wenn sie überrascht wurden, was äußerst
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