Topchter der Köingin Tess 1
Stehen, ehe der junge Mann den Wagen schnurstracks in den Fluss lenken konnte. Sofort sprang ich herunter und ging zu Jecks Pferd, das hinten am Wagen angebunden war.
»Du kommst nicht mit«, sagte Duncan und drängte Tuck zwischen mich und den Rappen.
»Natürlich komme ich mit, zum Teufel!« Ich schubste Tuck beiseite und funkelte Kavenlow an, der noch auf dem Kutschbock saß. »Und ich will keinen Schoh von Vorwand hören, etwa, dass ich hierbleiben und den Wagen bewachen soll. Jemand muss euch doch den Rücken decken.«
Kavenlow löste den Blick vom anderen Flussufer. Seine Miene wirkte grimmig und unsicher. »Ich gehe allein. Duncan? Absitzen.«
»Was?«, rief der Betrüger.
»Ich brauche ein Pferd. Deines ist das einzige, das fertig gesattelt und gezäumt ist.«
Duncan schüttelte langsam und bedächtig den Kopf. »Ich komme mit. Tess hat recht. Ihr könnt nicht allein gehen.«
Meine Schultern spannten sich. »Ich bin diejenige, die da hinübergeht. Und keiner von euch kann mich daran hindern!«
Kavenlows Miene verfinsterte sich, und er holte Luft, um zu protestieren. Ich reckte das Kinn, und er runzelte die Stirn. »Also schön«, sagte er. »Aber du musst mir versprechen, dass du genau das tun wirst, was ich dir sage.«
»Tue ich das nicht immer?«, entgegnete ich, weil ich mir alle Möglichkeiten offen halten wollte.
Er zögerte, denn ihm war bewusst, dass ich gar nichts versprochen hatte.
»Ich sollte gehen, nicht sie«, begann Duncan von Neuem, während er versuchte, den nervös tänzelnden Tuck zum Stehen zu bringen. »Was sollte ihn daran hindern, dich bewusstlos zu schlagen und wieder zu entführen, Tess? Dann hätte er euch beide. Das ist eine Falle.«
Kavenlow sprang auf den durchnässten Boden. »Sie ist ihm schon mehrmals entkommen«, sagte er. »Sie würde es wieder schaffen, falls es nötig wäre. Ich nehme Tess mit.«
Ich errötete in selbstzufriedenem Triumph, und Erregung breitete sich in mir aus. Widerstrebend glitt Duncan von Tuck und hielt das Pferd fest, während Kavenlow in den Sattel stieg. Das Pferd trat unter der schwereren Last von einem Bein aufs andere. Ich runzelte die Stirn, als Kavenlow mir die Hand entgegenstreckte, damit ich vor ihm aufstieg.
»Auf einem Pferd?«, fragte ich. »Ich habe mein eigenes Pferd, besten Dank.«
Kavenlows Blick unter den grau melierten Augenbrauen war müde. »Du willst das Tier, das du ihm gestohlen hast, wieder in seine Reichweite bringen?«
Seufzend nahm ich seine Hand und setzte mich vor Kavenlow zurecht wie die Prinzessin, die ich einmal gewesen war. Thadd suchte das Ufer ab, doch allmählich wich der hoffnungsvolle Ausdruck aus seinem Gesicht.
»Seid vorsichtig«, warnte Duncan, als wir in den seichten Fluss hineinplatschten. »Tuck mag kein Wasser.«
»Tuck mag überhaupt nichts«, murmelte ich. Doch entweder sorgte das Gewicht einer zusätzlichen Person auf seinem Rücken für Ruhe, oder die besänftigenden Gedanken, die ich in seinen dummen Kopf zu zwängen versuchte, drangen zu ihm durch. Ohne Schwierigkeiten stapfte er durch den Fluss. Der war nicht so tief, wie es den Anschein hatte. Der Wagen, von der Statue beschwert, müsste ihn ebenfalls durchqueren können.
Ich hielt den fleckigen Saum meines Kleides aus dem Wasser und den Blick fest auf Jeck gerichtet. Der kräftig gebaute Mann sah so gar nicht mehr aus wie der Hauptmann von König Edmunds Garde. Ohne die Uniform und den dazugehörigen, übertrieben feschen Hut wirkte er umso gefährlicher in seinem schlichten, aber gut gefertigten schwarzen Hemd und einer ebensolchen Hose. Sogar seine soliden Stiefel waren schwarz. Er saß reglos und völlig selbstsicher auf seinem Pferd, nur der Saum des Umhangs wehte leicht um seine Steigbügel.
Bei der Erinnerung an den flackernden Feuerschein auf seiner feuchten Haut, als ich ihm das Blut vom Rücken gewaschen hatte, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. Meine Hände hatten versucht, ihn zu heilen. Seine hatten sich daraufhin ebenfalls erwärmt. Errötend legte ich den Handrücken an die Wange, um sie zu kühlen. Das war nun wirklich das Letzte, woran ich jetzt denken sollte.
Wir näherten uns dem Ufer, und Tuck schleppte sich aus dem Wasser und schnaufte laut, um die Witterung des anderen Pferdes aufzunehmen. Als ich Jeck so völlig beherrscht dasitzen sah, durchfuhr mich ein Stich des Zweifels. Ganz gleich was Kavenlow sagte, ich wusste, dass Jeck alle Trümpfe in der Hand hielt. Gemeinsam wäre es uns wohl gelungen, ihn
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