Topchter der Köingin Tess 1
tötet, falls ich das Ende dieser Runde nicht mehr erleben sollte. Außerdem muss sie die offiziellen Regeln erfahren.«
Ich brachte kein Wort heraus. Mein Kopf war leer vor Panik. Er wird mich verlassen? Kavenlow wird mich schon wieder verlassen? Der Gedanke, dass ich Garrett einfach hätte töten sollen, stieg wie ein höhnischer Vorwurf in mir auf. Nervös trat Jecks Pferd von einem Bein aufs andere. Jecks Miene war finster und gereizt.
»Ihr bringt Euer gesamtes Spiel in Gefahr«, sagte er. »Sie ist eine Novizin. Euer Spiel ist weit vorangeschritten und ausgereift, und nur Ihr kennt es. Sie wird hundert Regeln brechen.«
Kavenlow ließ sich nicht beirren. »Es gibt keine hundert Regeln. Nur sechs.« Er sah mir fest in die Augen. »Vertraue deinem Gefühl, Tess, und du wirst keine davon brechen.«
»Also schön«, sagte Jeck barsch und zog die Zügel an, so dass sein Pferd den Nacken bog und zu tänzeln begann. »Bringt das Pferd mit. Ich habe nur zwei.«
Ich starrte ihn fassungslos an und konnte einfach nicht glauben, dass dies wirklich geschah.
»Runter mit dir.« Kavenlow bot mir die Hand, um mir vom Pferd zu helfen.
Ängstlich schüttelte ich den Kopf. »Nein. Er wird dich töten!«
»Hier.« Kavenlow zog sich mühsam einen schmucklosen Ring vom Finger. »Es ist nur ein Ring, aber mit Jeck als Zeugen wird er als Beweis dafür dienen, dass ich dir mein Spiel aus freien Stücken übergeben habe.«
»Kavenlow, nein!«, rief ich und ballte die Fäuste, als er versuchte, mir den Ring in die Hand zu drücken. »Ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Garrett wird dich töten!« Verlass mich nicht schon wieder!, schrie ich in Gedanken.
»Garrett wird mich nicht töten«, sagte er. »Dich hingegen ganz sicher. Auf diese Weise werden wir alle das Ende dieser Runde erleben.« Er küsste mich auf die Stirn, und vor lauter Überraschung lockerte ich die Faust. Er drückte mir den glatten Ring in die Hand und schloss meine Finger darum. »Wenn du tot bist, kannst du gar nichts mehr tun. Folge deinem Herzen. Ich weiß, dass du uns hier herausholen wirst, und zwar mit mehr, als wir hineingebracht haben, meine kleine Diebin.« Er beugte sich dicht zu mir heran und flüsterte: »Ich habe Gift in den Satteltaschen. Und falls ich das hier nicht überlebe, halt dich von Jeck fern.«
»Ich steige nicht ab«, erklärte ich rebellisch.
»Tut mir leid«, sagte er und stieß mich vom Pferd.
Japsend schlug ich auf dem matschigen Boden auf. Beide Pferde schraken zusammen. Ich krabbelte hastig rückwärts, als Tuck scheute und stieg. »Kavenlow!«, rief ich, rücklings im Matsch liegend. »Verlass mich nicht!«
Er warf keinen einzigen Blick zurück. Jeck tippte an seinen Hut und folgte Kavenlow in gemächlichem Galopp.
»Kavenlow!«, brüllte ich und rappelte mich auf. »Kavenlow, nicht!« Aber er war fort. Ich schaute über den Fluss hinweg zu Duncan, der hilflos am Ufer stand.
Was sollte ich jetzt tun?
27
Ich stand neben dem Wagen, beschirmte die Augen mit der Hand und starrte nach oben. Der Baum, auf den Duncan geklettert war, erzitterte, und ein grünes Blatt segelte zu mir herab. Wir folgten Jeck nun schon seit zwei Tagen fast ohne Pausen. Diese gnadenlose Hetze hatte uns in Rekordzeit vor die Tore der Hauptstadt gebracht. Wir waren auf einen stetig abnehmenden Strom von Flüchtlingen getroffen. Niemand hatte echte Neuigkeiten, die Leute liefen vor Gerüchten davon. Zum Glück hatten wir das viele Heu im Wagen, sonst hätten die Pferde sehr gelitten. Ich hoffte um Duncans willen, dass es Tuck ebenfalls gut ging.
»Und?«, rief ich hinauf. Ich war nervös und missgelaunt und zupfte ungeduldig an meinem grauen Kleid. Es war jetzt nicht nur zu kurz, sondern obendrein zu eng. Bei meiner Wäsche an Bord der Strandläufer war es eingelaufen. Meine Knöchel lugten darunter hervor, und das störte mich sehr.
»Die Torwachen halten jeden auf«, kam Duncans Stimme von oben. Ich reckte den Hals und versuchte, ihn zu entdecken. »Sie suchen nach uns, so sicher, wie Regen nass und die See salzig ist.«
Meine Frustration und Wut kochten über. »Verflucht sollst du sein, Kavenlow!«, schrie ich und trat gegen ein Wagenrad. »Warum hast du mir nicht gesagt, was ich tun soll?«
Thadd blickte mit einem bekümmerten Ausdruck auf dem breiten Gesicht vom Kutschbock auf.
Zweige knackten, als Duncan an dem Baum herunterglitt und leichtfüßig auf dem Weg landete. »Du hast doch wohl nicht erwartet, dass wir einfach zum
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